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Microsoft Word - Eschbach, Andreas - Der letzte seiner Art.doc

Microsoft Word - Eschbach, Andreas - Der letzte seiner Art.doc

Titel: Microsoft Word - Eschbach, Andreas - Der letzte seiner Art.doc
Autoren: SF-Online
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im Geringsten gewundert, wenn mein Bein bei irgendeiner Bewegung einfach abgebrochen wäre.
    Aber es brach nicht ab. Ich erreichte die Green Street und die Bibliothek unbehelligt, Mrs Brannigan stand hinter ihrer Theke wie immer, und als ich sie darum bat, ihren Drucker benutzen zu dürfen, reichte sie mir ohne zu zögern den Schlüssel zum Büro.
    »Ich werde mich eine Weile einschließen müssen«, sagte ich.
    »Es ist etwas Vertrauliches.«
    »Kein Problem«, meinte sie. »Wir schließen erst um fünf.«
    »Es kann auch ein bisschen länger dauern.«
    »Ich bin bis sechs da.« Sie wies hinter sich auf einen Wagen zurückgegebener Bücher. »Muss endlich mal einsortiert
    werden.«
    »Danke.«
    »Was ist mit Ihrem Bein?«
    »Erzähle ich Ihnen später.«
    Ich schloss mich in ihrem Büro ein, ließ den Schlüssel von innen stecken und fing sofort damit an, das mir
    entgegengebrachte Vertrauen zu missbrauchen.
    Ich holte eine Kneifzange aus der Tasche, griff nach dem Druckerkabel und schnitt es ungefähr auf der Mitte zwischen Drucker und PC durch. Dann zückte ich meinen
    Schraubenzieher und begann, den Stecker auseinander zu
    montieren. Als dessen Innenleben offen vor mir lag, schlug ich im Handbuch des Druckers nach, wie man ihn auf seriellen Betrieb umstellte. Im Anhang waren dankenswerterweise die Pinbelegungen aufgeführt. Es wäre auch ohne gegangen, aber 356
    es erleichterte die Aufgabe, die Kabelhälfte entsprechend meinen Anforderungen umzubauen.
    Zehn Minuten später saß der Stecker wieder im Drucker, und aus dem abgeschnittenen Ende des Kabels ragten die zwei
    dünnen Drähte, auf die es ankam, ein roter und ein gelber. Ich isolierte ihre Enden ab, bis ein Zoll Kupfer freilag, dann war das getan. Der leichte Teil der Sache.
    Ich blieb einen Moment sitzen, konzentrierte mich darauf, zu atmen, prüfte nach, ob die Sedierung funktionierte. Tat sie, aber das war in Wirklichkeit nicht das Problem. Ich räumte die Schreibtischunterlage von allen Papieren frei, holte die Mullbinden aus der Tasche und das Pflaster, legte alles zurecht.
    Im Papierkorb lag eine Zeitung. Ich nahm sie heraus und
    breitete sie, sicher ist sicher, vor mir aus. Dritter Mord in Dingle war die Schlagzeile.
    Meiner Hemdtasche entnahm ich das Päckchen mit den
    Rasierklingen. Ich nahm eine heraus, prüfte ihre Schärfe, war zufrieden und deponierte sie griffbereit auf der Schachtel. Dann fing ich an, den rechten Ärmel meines Hemdes
    hochzuschlagen.
    Ich schätze, ich werde nicht mehr als Hauptattraktion eines geheimen Museums taugen.
    Das Problem des Schreibprogramms, das ich einem
    verspielten Programmierer verdanke, ist, dass ich damit zwar theoretisch drucken kann, als einziger regulärer Datenausgang aber die bionische Schnittstelle an meiner rechten Hand
    vorgesehen ist. Das war einmal anders gedacht, doch alle dazu passenden Gegenstücke, die tatsächlich gebaut wurden, sind in monströse Schusswaffen eingebaut, die weit weg in geheimen Bunkern lagern. Sprich, mit dieser Schnittstelle fange ich nichts an. Ich muss sie umgehen, um das, was ich geschrieben habe, auf Papier zu bringen.
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    Und die einzige Stelle, sie zu umgehen, ist ein weiteres Kabel. Das Kabel, das von dem Computer in meinem Bauch zu den bionischen Endkontakten in meiner Hand verläuft.
    Ich legte den rechten Arm vor mir auf den Tisch, die
    Innenseite nach oben, ballte die Faust und nahm die
    Rasierklinge in die Linke. Nicht meine geschickteste Hand.
    Eine Fingerlänge unterhalb des Handgelenks setzte ich die Spitze an, an einer Stelle, an der keine Arterie zu sein schien.
    Ein bisschen war der Schmerz zu spüren, als ich zudrückte, und ein roter Tropfen quoll hervor. Ich durchtrennte die Haut und die Fettschicht darunter und schnitt bis kurz vor die
    Ellenbeuge, ein handspannenlanger Schnitt, einen viertel Zoll tief.
    Die Sedierung pumpte. Ein Gefühl von Beklemmung breitete sich in meinem Arm aus. Blut rann in kleinen Rinnsalen rechts und links der Wunde auf die Zeitung hinab, trotz der
    Drosselung.
    Noch nicht tief genug. Ich achtete darauf, gleichmäßig zu atmen. Am Rand meines Gesichtsfeldes flimmerte es wie
    schwarzer Nebel, aber das würde sich geben, wenn die Arbeit erst getan war.
    Ich setzte die Klinge noch einmal an, tauchte sie in die warme, tiefrote Pfütze unter meinem Handgelenk und schnitt fester, tiefer, zerteilte das Gewebe in einer schrecklichen Bewegung bis an die Beuge und ließ das Metall dann zitternd fallen. Jetzt musste es schnell gehen.
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