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Michael, der Finne

Michael, der Finne

Titel: Michael, der Finne
Autoren: Mika Waltari
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Nach einem solchen Martyrium brauchten die Betroffenen die Qualen der Hölle gewiß nicht mehr zu fürchten. Und wer war da noch ein Christ? Die Spanier wüteten wie grimmige, herzlose Bestien, und die Deutschen würdigten das Wort »Lutheraner« zum Schimpfnamen herab.
    Ich will mich nicht selbst loben oder den Unschuldigen spielen. Die ersten drei Tage dachte ich nur daran, mich zu bereichern. Dann aber wurde ich des Gemetzels, der Greuel und der Schreie der Gefolterten überdrüssig und erwachte eines Morgens aus meinem Delirium. Dieser Morgen ist meinem Gedächtnis eingebrannt, als hätte man ihn mit Säure auf einer Kupferplatte eingeätzt und auf das unbeschriebene Blatt meiner Seele aufgeprägt. Ich erwachte unter einer Kolonnade auf dem Campo di Fiore, geblendet von der Maisonne. Von zwei nahen Häusern stiegen Flammen und schwarze Rauchsäulen auf, und die Morgenluft war vom Blutgeruch, vom Ruß und von Speidunst geschwängert. Ich wußte nicht mehr, wie ich zu unserem Lagerplatz zurückgefunden hatte, aber meine Börse war unversehrt, mein Esel an einer Säule angebunden, und mein Hund lag da, die Schnauze an den Boden gedrückt, als hätte er Kummer, und brachte es nicht über sich, mich zu begrüßen.
    Ich führte meinen Esel an das Ufer des Tiber. Selbst konnte ich dort nicht trinken, weil die Strömung die Leichen die Ufer entlang trieb. Unter ihnen sah ich Priester, Mönche und Nonnen, ja selbst die fleckigen Leichen der Kranken, welche die Soldaten im Haus zum Heiligen Geist aus den Betten gezerrt hatten, nur um sie zu morden und in den Fluß zu werfen, weil einige Reiche unter ihnen Zuflucht gesucht hatten. Mich quälte ein schrecklicher Durst, und ich trat in eine nahe Kirche, in der Hoffnung, einen Bekannten zu treffen, der mir zu trinken gäbe.
    In der Kirche tummelte sich ein Haufen lärmender Soldaten, die Weinfässer vor den Altar gerollt und sie eingeschlagen hatten, so daß alle sich bedienen konnten. Die heiligen Gefäße dienten ihnen als Trinkbecher. Viele von ihnen stolzierten in priesterlichen Gewändern einher; sie hatten auch zwei Priester in Weiberkleider gesteckt. Als ich eintrat, zielte ein Arkebusier, der auf dem Taufstein saß – den er beschmutzt hatte –, und schoß auf das Kreuz, das zertrümmert auf den verwüsteten Altar stürzte. Andere trieben ein Ballspiel mit dem Totenschädel eines Heiligen.
    Als ich meinen Esel an der Engelsburg vorbeiführte, sah ich eine Schar Priester, Mönche und vornehmer Laien, die mit ungeübten Händen Hacke und Spaten schwangen und rund um die Festung Gräben aushoben; die Soldaten, die sie beaufsichtigten, verwünschten sie und schlugen sie mit den Lanzenschäften. Ein kleines Mädchen wandte sich an den spanischen Hauptmann, zeigte ihm ein Büschel Grünzeug und fragte, ob sie es in die Burg bringen dürfe, da einer von der Besatzung gerufen hatte, der Papst brauche frisches Gemüse. Der Spanier antwortete fluchend, bekreuzigte sich aber dann und ließ das Kind passieren. Sie lief mit leuchtenden Augen an den Rand des Grabens. Sogleich wurde ein Seil herabgelassen. Sie machte ihr Büschel daran fest, kniete dabei nieder und flehte mit ihrem schrillen Kinderstimmchen um den Segen des Papstes. Ein paar deutsche Pikeniere riefen hinüber und winkten mit den Armen. Da fiel ein Schuß, die Kleine stürzte schreiend hin und lag mit dem Gesicht auf der Erde, während das Grünzeug in den Graben rollte.
    Ich trieb meinen Esel an, und der Hund blieb mir dicht auf den Fersen. Wir gelangten auf den großen Platz vor Sankt Peter hinaus, wo die verwesenden Leichen der Schweizergarde die Luft verpesteten. Ich aber hatte nur Augen für das mächtigste Gotteshaus der Christenheit, dessen Majestät und makellose Linien mir inmitten allen Blutvergießens heitere Gelassenheit und Frieden ins Herz senkten. Einige Reiter des Prinzen von Oranien kamen mit ihren Pferden von der Tränke vorbei, und ich fragte sie, wo ich mein Tier einstellen könnte. Sie erkannten mich an meiner Kleidung als Arzt, standen freundlich Rede und Antwort und hießen mich ihnen folgen. Zu meinem Erstaunen führten sie ihre Reittiere die breiten Stufen von Sankt Peter hinauf und in die Kirche. Ich folgte ihnen und hörte unter dem hallenden, gewölbten Dach das Wiehern vieler Pferde. Es müssen wohl Hunderte gewesen sein; allein in diesem Riesenbau nahmen sie nur wenig Platz ein. Ich blieb stehen und starrte, aufs äußerste erstaunt, um mich; neben den gewaltigen Säulen war mir wie
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