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Michael, der Finne

Michael, der Finne

Titel: Michael, der Finne
Autoren: Mika Waltari
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ihn vor die Wahl zu stellen, als Märtyrer seines Glaubens zu sterben oder als Ketzer weiterzuleben. Nach einigem Nachdenken kam er zur Überzeugung, daß die heilige Kirche ihn lebend besser gebrauchen könne als tot und daß er später für sein Vergehen die Lossprechung erhalten konnte. So holte er die heiligen Gefäße und das Öl aus ihrem Versteck unter einem Grabstein, und wir schritten schweigend, ohne ein Glöckchen zu läuten, an das Krankenbett des Sterbenden.
    Während der Priester sich ihm widmete und die Tochter für die Seele des Vaters betete, wanderte ich im Hause umher. Ich sah viele Bände von den Werken der alten griechischen und römischen Philosophen kunterbunt auf dem Boden liegen, dazu Handschriften, worauf schmutzige Füße umhergetrampelt waren. Auch viele antike Statuen standen da, deren gelbliche Farbe zeigte, daß sie ausgegraben worden waren. Aber die Soldaten hatten diese heidnischen Götter von den Sockeln gestürzt und ihnen Hals und Beine gebrochen. Als ich der herrlichen Rundung einer marmornen Hüfte folgte, dachte ich an die – lange vor dem Anbruch des christlichen Zeitalters vermoderte – Hand des Künstlers und an den Meißel, der in einer heidnischen Welt diese unvergänglichen Abbilder der vergänglichen Menschengestalt geschaffen hatte. Daß sie mir nun, da die Grundfesten der Christenheit einstürzten, vor Augen kamen! Ich schob die Trümmer mit dem Fuß beiseite und ging in die Küche, wo ich etwas Knoblauch und einen Laib Brot vorfand.
    Ich hatte kaum das Brot mit meinem Hund geteilt, als die Frau aus den inneren Gemächern trat und zögernd und mit niedergeschlagenen Augen berichtete, der Priester habe seines Amtes gewaltet und verlange nun sechs Dukaten. Sie bat mich, ihr diese Summe zu leihen, bis sie einen der reichen Gönner und Freunde ihres Vaters treffen könnte. Ich gab ihr das Geld. Die Raffgier des Priesters aber erbitterte mich so, daß ich hinten durch den Garten auf die Straße stürzte und, als er das Haus verließ, auf ihn zulief und ihm einen Schlag auf den Kopf versetzte, daß er hinfiel.
    Der Greis lag nun, da er seine Rechnung mit Gott beglichen hatte, friedlich und heiter da und litt keine Schmerzen mehr. Mit zitternder Hand glättete er seiner Tochter das Haar, als sie an seiner Seite niederkniete, und er wußte wohl wenig von dem Unheil, das Rom heimgesucht hatte, weil er mich mit schwacher Stimme beschwor, dafür zu sorgen, daß er ein ehrliches Begräbnis erhalte und man seine Tochter im Palast des reichen Massimo in Sicherheit bringen sollte. Er wünschte keine Pferde mit Federbüschen vor seinem Leichenwagen, sondern sei zufrieden, wenn man ihn auf einer schlichten Bahre trage und in geweihte Erde bette. Ich brachte es nicht übers Herz, ihm die Wahrheit zu sagen, und versprach, seine Wünsche nach besten Kräften zu erfüllen. Dann kniete ich neben seiner Tochter nieder, um für seine Seele zu beten und dem Tod Ehrfurcht zu erweisen, der den Menschen seiner Freude beraubt, den mächtigsten Fürsten zu Staub und Asche zerfallen läßt und die Arbeit des Gelehrten eitel macht.
    Als der Greis seinen letzten Atemzug getan hatte, erhob ich mich, um ihm die Augen zuzudrücken, ein Kissen unters Kinn zu schieben und die Hände auf der Brust zu falten.
    Die Tochter weinte ein wenig, trocknete aber bald ihre Tränen und sagte mit einem Seufzer der Erleichterung: »Mein Vater ist eines christlichen Todes gestorben; das ist mir ein großer Trost. Während seines Lebens versäumte er oft die Messe und vergaß seine Gebete, da er die Schriften der alten Heiden studierte; für antike Denkmäler wendete er mehr Geld auf als für den Schmuck heiliger Altäre. Nun aber hat seine Seele Ruhe gefunden; es bleibt nur noch sein letzter Wunsch zu erfüllen, ihn in geweihte Erde zu betten.«
    Mich verstimmte ihre törichte Hartnäckigkeit. Ich hielt ihr vor, daß Zehntausende von Leichen unbestattet an den Ufern des Tiber und vor den Kirchen verwesten und sie vergeblich hoffe, es werde sich jemand die Mühe nehmen, für einen einzigen armen Gelehrten ein Grab zu schaufeln.
    Darauf erwiderte sie hochmütig: »Ich schulde Euch sechs Dukaten; wenn ich aber meinen Vater begraben und Ihr mich in Massimos Palast geführt habt, wird Euch diese Schuld mit Zinsen für Eure Mühe vergolten werden. Der reiche Massimo wird der Tochter seines Freundes seinen Schutz nicht versagen.«
    Ich brachte ihr schonend bei, daß Massimos Palast von Spaniern und Deutschen geplündert und
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