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Michael, der Finne

Michael, der Finne

Titel: Michael, der Finne
Autoren: Mika Waltari
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Mein Hund rollte sich vor dem verglimmenden Feuer zusammen; ich schwieg noch immer.
    Und die Frau sprach: »Meinem Vater brach das Herz, als die Soldaten seine alten Statuen zertrümmerten und die Bände, in die er sein ganzes Vermögen gesteckt hatte, mißhandelten. Er starb wohl, weil er das Werk seines ganzen Lebens mit einem Schlage vernichtet sah. Nun aber, da er tot ist, bin ich frei und fürchte meine Freiheit. Mir ist wie dem Vogel, den ein Windstoß aus seinem Käfig in eine wildere, schrecklichere, vielleicht aber auch herrlichere Welt hinausgefegt hat. Lege die Arme um mich, Michael; wärme mich, schütze mich. Diese beiden Kerzen sind die einzigen, die wir im Hause haben; wir wollen sie auslöschen. Wir können ebensogut im Dunklen sprechen.«
    Sie tat es, und ich legte die Arme um sie. In der Qual meiner schweren Gedanken fand ich Trost in der Umarmung eines Menschenwesens, das ebenso einsam und verlassen war wie ich selbst.
    Am Morgen erhob sie sich vor mir. Als ich sie wiedersah, war sie bleich und schweigsam und in Schwarz gekleidet. Wenn ich mit ihr sprach, wich sie meinem Blick aus, und als wir beim Frühstück über den Resten des Abendmahls vom Vortag saßen, behandelte sie mich wie einen Fremden oder einen Feind. Ich konnte nicht ergründen, was sie dachte oder fühlte. Mein Gewissen ließ nicht zu, sie allein und schutzlos zurückzulassen; so brachte ich sie ins Lager der Pikeniere und vertraute sie der Obhut der Wachen an. Die gutmütigen Deutschen hatten eine Reihe Frauen aus den Klauen der Spanier gerettet und ließen sie nun für sich waschen und kochen. Ich wußte keine bessere Zuflucht für Lukrezia; ich selbst mußte ja auf meinen Vorteil bedacht sein und mich in der Stadt umsehen, solange das Plündern noch erlaubt war.
    Als ich am Abend zurückkehrte und ihr Essen mitgebracht hatte, war sie aus dem Lager verschwunden, und die übrigen Weiber meinten verächtlich, die Lauge im Waschwasser sei für ihre zarten Hände zu rauh gewesen und sie sei auf der Suche nach einem geeigneten Gönner ein paar Spaniern nachgelaufen. Ich war entsetzt über ihre Torheit und suchte sie in ihrem Hause; sie war jedoch nicht zurückgekehrt. Ich blieb in dem Haus, das unweit der Peterskirche stand, so daß ich auch leicht nach meinem Esel sehen konnte, während ich sie erwartete. Als die Plünderung vorbei war, kam Andy zu mir, um sich von seinen Ausschreitungen zu erholen. Er brachte eine Schar seiner Leute mit, so daß wir unser Quartier gegen Eindringlinge verteidigen konnten. Wir legten Vorräte von Mehl und Dörrfleisch an, denn es stellte sich gar bald heraus, daß wir keineswegs die Fleischtöpfe Ägyptens erobert hatten, sondern uns ärgerer Hunger und schlimmere Entbehrungen drohten als je zuvor.
5
    Während jener acht Tage wäre es selbst einer kleinen feindlichen Schar ein leichtes gewesen, in die Stadt einzudringen und den Papst aus der Engelsburg zu befreien, denn unsere Truppen waren völlig zügellos und ergaben sich dem Plündern und den Ausschweifungen. Eines Tages ließ der Prinz von Oranien, der sich im Vatikan verborgen hatte, um die heillose Unordnung nicht mitansehen zu müssen, Alarm schlagen, um das Heer durch den Schreck wieder zu Einigkeit und Ordnung zu führen. Aber von dreißigtausend Mann fanden sich nur fünftausend ein.
    Am Ende dieser Plünderwoche wurde die Beute gemäß den Kriegsartikeln verteilt. Man hatte gemünztes Gold und Silber im Wert von zehn Millionen Dukaten erbeutet, desgleichen Gold- und Silbergefäße und Edelsteine, die zusammen ebensoviel wert waren. Nach der Verteilung gab es keinen Arkebusier und Pikenier, der sich nicht in Samt und Seide herausstaffiert hatte und Goldketten um den Hals trug; noch der gemeinste Mann konnte mit wenigstens hundert Dukaten in der Börse klingeln. Andere Habe aber wie Möbel, Gemälde, Bücher, Reliquien und kostbare Stoffe, die entweder vernichtet oder im Ghetto um einen Pappenstiel verschleudert worden waren, war wenigstens ebensoviel wert gewesen wie die verteilte Beute, und die zahllosen Häuser und Paläste, die in Brand gesteckt oder in die Luft gesprengt worden waren, wieder zu errichten, hätte viele Millionen Dukaten gekostet.
    Als die Ordnung so weit hergestellt war, daß die Krämer sich wieder zeigen und die Schenken ihre Tore öffnen konnten, stellte sich bald heraus, daß der Reichtum allen Sinn verloren hatte. ’ Kaum drei Wochen vergingen, und schon kostete ein gewöhnlicher Laib Brot einen Dukaten, und die
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