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Michael, der Finne

Michael, der Finne

Titel: Michael, der Finne
Autoren: Mika Waltari
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ich Zeit, zu zielen und abzuziehen. Die Kugel traf ihn in die Brust, und er fiel nach hinten zur Tür hinaus, bevor er noch einen Fluch über die Lippen brachte.
    Wogender Rauch erfüllte das Gemach. Lukrezia fiel neben ihrem Liebhaber auf die Knie; als sie aber sah, daß er im Sterben lag, packte sie die Wut. Sie zog sein Schwert und tat einen Schritt auf mich zu; ich aber richtete die Büchse auf sie und drohte, zu schießen. Gott weiß, wie mir der Gedanke kam. Das törichte Weib vergaß, daß ich erst neu laden mußte, bevor ich schießen konnte; sie ließ das Schwert fallen und bat mich, ihr Leben zu schonen. Sie meinte, ich täte klug daran, ihr Freund zu bleiben, sonst würde sie Spanier senden, mich zu töten. Ich aber erkannte, daß sie Angst hatte, wollte sie nicht so ungeschoren davonkommen lassen, schwenkte drohend meine Waffe und hieß sie, ihre Ringe und Ohrringe abzunehmen und neben dem Spanier auf den Boden zu legen. Sie weinte, beschwor mich und versuchte mich zu besänftigen, so gut sie konnte, allein vergebens. Schließlich aber brach sie in so greuliche Verwünschungen aus, daß ich nie gedacht hätte, eine Frau könne selbst im Umgang mit den Spaniern in so kurzer Zeit so abscheuliche Flüche erlernen. Ich weiß nicht, wie die Sache geendet hätte, wenn nicht der Schuß die Pikeniere aus ihrer lärmenden Unterhaltung aufgeschreckt hätte. Eben stürzten sie herein und ergriffen Lukrezia.
    Entsetzt starrten sie auf die Leiche des Spaniers, weil sie fürchteten, Andy würde sie bei lebendigem Leibe schinden, da sie das Haus unbewacht gelassen hatten. Daher sprangen sie mit jenem üblen Weibe schlimmer um, als ich erwartete. Sie rissen ihr das rote Kleid vom Leibe und schlugen sie mit Dornenruten, bis sie blutüberströmt war, und hätten sie ohne Zweifel getötet – was das klügste gewesen wäre –, allein der Anblick ihres Elends bewog mich, sie freizulassen. Sie stießen sie so nackt, wie sie bei ihrer Geburt gewesen, auf die Straße hinaus. Darin erging es ihr freilich nicht schlimmer als vielen anderen Frauen in Rom. Ihre Niedertracht hatte uns nur Vorteile gebracht, weil sich in des Spaniers Börse an die fünfhundert Dukaten fanden und das Brustkreuz allein wenigstens hundert wert war, woraus ich schloß, daß er unter seinen Leuten ein Mann von Rang gewesen sein mußte.
    Nach Andys Heimkehr verließen wir, ohne zu säumen, das Haus. Die Pikeniere trugen mich auf die andere Seite des Flusses, wo wir uns in einem leeren Haus verbargen. Lukrezia würde sicherlich die Spanier sogleich aufhetzen. Sie würden die Stadt nach uns absuchen, um ihren Waffengefährten zu rächen, denn diese Leute waren ebenso rachsüchtig wie habgierig und vergaßen eine erlittene Unbill nie.
    Als aber meine Geschwüre verheilt waren und ich wieder auf eigenen Beinen stehen konnte, sagte ich zu Andy: »Während meiner Krankheit hatte ich Muße zum Nachdenken, und ich fürchte, wir haben uns an dem schlimmsten Raubzug, den die Welt je gesehen hat, beteiligt. Mag sein, daß unser ganzes Leben nicht mehr hinreicht, für unseren Anteil daran Sühne zu leisten. Unsere Strafe war Pest und Hungersnot, und ich glaube, nicht einmal der Kaiser kann der Vergeltung für die furchtbaren Verbrechen entrinnen, die wir in seinem Namen begangen haben. Daher soll nun jeder selbst für sein Seelenheil sorgen. Uns bleibt ein einziger Weg: aus der Stadt zu fliehen, die einst der Stolz der Christenheit war und aus der wir ein Trümmerfeld gemacht haben.«
    Andy erwiderte bedächtig: »Wir haben in der Tat in Rom so viel eingeheimst, wie man es in einer solchen Stadt nur kann. Freilich muß der Papst erst freigekauft werden; dabei werden aber für jeden Mann nur ein paar Dukaten herausspringen, den Löwenanteil werden, fürchte ich, unsere Befehlshaber einstecken. So bin auch ich bereit, Rom zu verlassen – um so lieber der Spanier wegen, die du beleidigt hast. Wir können ihnen nicht lange entrinnen. Wie wir aber aus dieser verfluchten Stadt herauskommen und wohin wir uns wenden sollen, das ist eine vertrackte Geschichte.«
    Rael lag zu meinen Füßen und hörte uns zu. Nun hob er den Kopf und sah mich flehend an.
    Meine Schwäche trieb mir die Tränen in die Augen, und ich sprach zu Andy: »Wir haben uns mit jeder Unreinheit befleckt. Wir haben den Glauben unserer Kindheit verloren und dürfen kaum auf Vergebung hoffen. Während meiner Krankheit reifte in mir die Überzeugung, daß all unser Elend an dem Tag anhob, da wir von unserer
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