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Michael, der Finne

Michael, der Finne

Titel: Michael, der Finne
Autoren: Mika Waltari
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verheert, Massimo selbst gefesselt und seine beiden Töchter vor seinen Augen vergewaltigt worden waren. Dann hatte man die Mädchen in die Kloaken gesteckt, wo sie die Schätze, welche die Eindringlinge dort versteckt glaubten, heben sollten. Daher würde sie wohl von Massimo und seiner Familie wenig Hilfe erhalten.
    Die Frau biß sich auf die Lippen; die Erkenntnis, daß sie schutzlos und auf mich angewiesen war, trieb ihr die Tränen in die Augen.
    Nach einigem Nachdenken aber meinte sie: »An mir selbst liegt mir nichts; mein Leib ist entehrt, mein Leben zählt daher wenig. Für meinen Vater aber wünsche ich ein angemessenes Begräbnis, und wenn Ihr ein Mann seid, werdet Ihr mir helfen.«
    Ich weiß nicht, wodurch die Frau mich so bewegte, als sie an meine Männlichkeit appellierte; ich versprach aber, mein Bestes zu tun, und machte mich auf die Suche nach Andy. Zum Glück traf ich ihn am Ponte Sisto. Er trug einen silberhaarigen Greis auf dem Rücken, und eine Schar brüllender, lachender Pikeniere folgte ihm. Er sagte mir, der Alte sei der Kardinal Ponzetto, den sie von Palast zu Palast trugen, um Lösegeld für ihn zu fordern. Ich erklärte ihm mein Vorhaben, und das geplante Leichenbegängnis brachte die Pikeniere auf einen neuen Gedanken. Kardinal Ponzetto, meinten sie, verdiene, bei lebendigem Leib begraben zu werden, weil sie von ihm keinen Pfennig erhalten hatten. Sie hoben ihn auf, wo Andy ihn hatte fallen lassen, und trugen ihn zur nächsten Kirche. Andy folgte ihnen, und ich folgte wohl oder übel Andy.
    Die Männer legten den Kardinal in einen Sarg, den sie irgendwo gefunden hatten, und stellten diesen mitten in der Kirche auf eine Bahre. Der alte Mann lag mehr tot als lebendig darin, als sie plärrend und predigend ihr Possenspiel mit ihm trieben. Dann hoben sie eine der Steinfliesen aus, als wollten sie ihn darunter begraben. Als aber selbst dies nichts fruchtete und ihm keinen roten Heller abpreßte, wurden sie des Spaßes überdrüssig und meinten, sie wollten in seinem Haus zu Gast sein und ein Bankett abhalten.
    Andy wollte mitgehen, um des Essens willen. Ich aber bat und flehte ihn an, mir zu helfen, da die Vorsehung uns einen Sarg und eine schöne Bahre zugeschanzt hatte. Er überredete zwei Pikeniere, uns zu begleiten, und wir trieben bei einem Streifzug durch die umliegenden Häuser Träger für die Bahre und zwei Mönche zum Singen auf. Dann zogen wir in feierlicher Prozession im Schutze von Andys Bihänder zum Haus des Gelehrten.
    Wir zogen dem Greis ein reines Hemd an, hüllten ihn in ein Leichentuch und legten ihn unter Psalmenklängen in den Sarg. Dann führte uns die Frau zu einer kleinen Begräbnisstätte, wo die Italiener bei einbrechender Dunkelheit eine Grube aushoben. Und so wurde der Gelehrte mit Ehren bestattet.
    Als alles vorüber war und wir unsere Helfer mit unserem Segen entlassen hatten, blieben wir drei allein am Grab zurück und sahen den düsteren Abendhimmel vom Schein der Flammen, die in der Stadt wüteten, erglühen. Die Frau sprach ein letztes Gebet, erhob sich dann, küßte uns beide und nannte uns ehrliche Leute. Sie bat uns, das bißchen Speise im Hause ihres Vaters mit ihr zu teilen. Auf dem Weg dahin holten wir aus den nahen Häusern frisches Fleisch und Gemüse und ein Fäßchen Wein, das Andy auf der Schulter nach Hause trug.
    Die Frau machte mit ungeübten Händen in der Küche Feuer und begann das Fleisch zu braten, während Andy seine Abenteuer an diesem Tage schilderte und mir eine Handvoll grüner und roter Edelsteine zeigte, die er aus einem Reliquienschrein in einem Kloster gebrochen hatte. Er erzählte auch, er habe den Schädel des heiligen Johannes des Täufers gesehen und hätte ihn nur zu gerne an sich gebracht und an den Dom zu Abo gesandt. Es wäre eine löbliche Tat gewesen, meinte er, da wir zu Hause so wenige wertvolle Reliquien besäßen. Es war ihm aber ein anderer zuvorgekommen.
    Nachdem er eine Weile die wahnsinnige Raserei der Spanier beschrieben hatte, schloß er: »Sie machen sich ein Vergnügen daraus, Frauen und selbst Kinder zu martern und sie mit Gewalt zu allen möglichen Lastern zu zwingen, während ein ehrlicher Mann sein Glück in der Neigung und Gunst der Frauen sucht – und es fehlt zu Rom nicht an heiteren Mädchen, die aus freien Stücken gerne die Freuden und die Beute der Soldaten mit ihnen teilen.«
    Die Frau vergaß ihren Braten und wandte sich an uns: »Ich habe im Hause meines Vaters ruhig der Wissenschaft gelebt.
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