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Michael, der Finne

Michael, der Finne

Titel: Michael, der Finne
Autoren: Mika Waltari
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einem Käferchen zumute. Dann band ich, dem Rat der Reiter folgend, meinen Esel an das schmiedeeiserne Gitter einer Seitenkapelle. Die Leute schenkten mir reichlich Heu und Hafer, wovon mehrere Wagenladungen aus den päpstlichen Stallungen herbeigeschafft worden waren.
    Aus dem Kircheninneren vernahm ich das Poltern von Steinen und den Lärm von Hämmern und Brecheisen, und als ich unter den Herrlichkeiten dieses großen Gotteshauses umherwanderte, sah ich hier und da Gruppen von Söldnern an der Arbeit, welche die Grabmäler früherer Päpste aufbrachen, um sie zu berauben. Einige hatten angefangen, das Petrusgrab selbst zu erbrechen. Dieser Anblick aber ging über meine Kräfte. Mir zitterten die Knie, und ich floh entsetzt aus der Kirche.
    Niemand hinderte mich, durch ein Seitentor den Vatikan zu betreten, wo der Prinz von Oranien sein Hauptquartier aufgeschlagen hatte. Die Straße war weiß übersät mit Dokumenten aus den Archiven, welche die plündernden Deutschen aus den Fenstern geworfen hatten. Zwei Wachen führten mich in die Sixtinische Kapelle, wo der Herzog von Bourbon, bleich und mit vorspringender Nase, im flackernden Schein von Wachskerzen aufgebahrt lag. So war dieser Fürst – ein Verräter an seinem König und exkommuniziert am letzten Abend seines Lebens – schließlich doch nach Rom gekommen, wonach er noch im Todeskampfe so sehr verlangt hatte.
    Trotz des päpstlichen Bannes versuchten zwei Priester eine Totenmesse zu lesen, aber das Zerreißen von Stoffen und das Zertrümmern der Vertäfelung störten die heilige Handlung. Ihrer und der letzten Ruhe ihres Feldherrn nicht achtend, riß eine Schar Soldaten herrliche Gemälde von den Wänden. Die Burschen erzählten mir, man habe ihnen eine erkleckliche Summe für diese Werke geboten; sie stammten von einem Maler namens Raffael, der offenbar berühmt sei. Es tat ihnen nur leid, daß sie am Abend ihrer Ankunft viele Bilder und Rahmen verbrannt hatten, nur um sich zu wärmen. Diese Bilder waren in der Tat gar lieblich anzusehen, nach den wenigen zu urteilen, die ich sah.
    Als ich die Kapelle verließ, stieß ich auf eine Schar spanischer Arkebusiere, die mit den Büchsenschäften eine Reihe Buntglasfenster zertrümmerten und das Blei gewaltsam herausrissen. Ich fragte sie, warum sie diesen mutwilligen Schaden anrichteten, denn die Fenster seien doch schön und viele heilige Geschichten darauf abgebildet. Die Spanier erwiderten, sie richteten keinen Schaden an, sondern erfüllten einen nützlichen Zweck, indem sie ihren Bleivorrat für Kugeln auffüllten. Eine Reiterschwadron der Verbündeten sei dem Vernehmen nach an den Toren Roms eingetroffen, und sie, die Spanier, wollten nicht zulassen, daß sie den Papst befreiten, ohne Lösegeld für ihn zu zahlen.
    Ich trat hinaus in die frische Luft des vatikanischen Hügels und sah vom jenseitigen Ufer schwarze Rauchwolken in den blauen Maihimmel steigen. Hoffnungslose Trauer befiel mich, und ich fragte mich, was ich nun von einer gefüllten Börse, vom Wein und all den guten Dingen dieser Welt hätte, wo ich doch nicht einmal wußte, wer oder was ich war, wohin mein Weg führte oder was ich vom Leben erwartete. Der Papst war ein verlassener Flüchtling – das zu erleben hatte ich mir geschworen. Die Macht des Papstes war gebrochen und würde sich gewiß nie mehr erheben. Wenn aber eine neue Welt im Entstehen war, welche Segnungen waren von diesem zügellosen Morden, dieser Zerstörungswut ohnegleichen zu erwarten? Mein Eid war in Erfüllung gegangen; hatte mich das aber froher gemacht? Es hatte mich Barbara nicht näher gebracht; vielmehr hatte ich sie nun für immer verloren. Als ich so stand und sah, wie der Wind die Stöße von Papier auf der Straße davontrug, und die Hammerschläge hörte, die von der Entweihung des Petrusgrabes kündeten, erkannte ich, daß ich mich selbst nicht kannte – diesen nackten, verlassenen Fremden ohne Heim und Familie, ja selbst ohne Heimatland und ohne Zukunft. Ich fror plötzlich in der Maisonne.
    Mein Hund, mein einziger Freund, kauerte mir zu Füßen und wandte mir seine traurigen Augen zu. Er hatte seine Herrin verloren, war geschlagen, gefoltert und versengt worden; dennoch dürstete er nicht nach Rache. Er litt unter dem Anblick der menschlichen Grausamkeiten. Er blickte mich an wie im stummen Gebet, als wolle er, daß ich meine Seele rette.
    In solche drückende Gedanken versunken, blickte ich über Rom hin, wo Menschen einander beraubten und folterten und in
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