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Michael, der Finne

Michael, der Finne

Titel: Michael, der Finne
Autoren: Mika Waltari
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dieser Kunst unerfahren, weil sie immer noch ein Geheimnis der Gießereien ist, und wir müssen daher unsere Wurfgeschoße auch weiterhin schmieden.«
    Der Schloßhauptmann, der sonst den Äußerungen meines Meisters ein williges Ohr zu leihen pflegte, versetzte nun entrüstet: »Stein war gut genug für unsere Väter und Großväter. Unser Land ist arm, und es ist offensichtlich die Absicht des Schöpfers, den Mangel an Metall durch Stein und billige Arbeitskraft wettzumachen.«
    Nachdem der Schloßhauptmann gegangen war, schleuderte Meister Schwarzschwanz seine Mütze zu Boden und stampfte darauf herum und fluchte, bis sich die Gesichter der alten Kanoniere in melancholischem Lächeln entspannten.
    »Gott’s Blut!« rief er aus, nachdem er ruhiger geworden war. »Der Schloßhauptmann hat unseren Vertrag gebrochen und wünscht, daß ich ihm eiserne Kanonen mache. Weder er noch vielleicht das ganze Land können das Kupfer und Zinn aufbringen, das man für Kanonenmetall braucht. Aber ein Volk, das erklärt, es könne sich das nicht leisten, während seine Türme voller Glocken hängen und die Schränke seiner Bürger voll schwerer Humpen stehen, ist zum Untergang verurteilt.«
    Als wir in unser Quartier zurückkehrten, gestand er mir in ernsten Worten, daß er sich in einer Zwickmühle befände. Seiner Meinung nach war eine bronzene Kanone zehn eiserne wert; selbst wenn sie zerbarst, war sie ungefährlich und konnte wieder verwendet werden, denn Bronze war zäh und würde nicht in Stücke fliegen.
    »Nur Narren und Verrückte lassen sich zum Dienst an eisernen Geschützen anwerben«, sagte er. »Erfahrene Kanoniere lassen sich nicht dazu herbei. Aber wir befinden uns jetzt in einer schwierigen Lage, denn ich habe mich verpflichtet, die Festung mit Geschützen auszurüsten, und ich bin kein Eisengießer. Ich gieße nur Bronze. Und außerdem will ich nicht an den Verletzungen und dem Tod unschuldiger Kanoniere, die für den Dienst an eisernen Geschützen gebraucht werden, schuld sein.«
    Ich gab ihm zu bedenken, daß es in Finnland überaus tüchtige Schmiede gab, die er lehren konnte, Kanonen zu schmieden. Er kratzte sich hinterm Ohr und bemerkte, er habe wohl dabei zugesehen, sei aber kaum in der Lage, diese Kenntnisse weiterzugeben. Er war in der Tat recht niedergeschlagen, aber als er einige Humpen Bier getrunken hatte, fand er sich wieder und meinte, er wolle eine Schmiede mieten und einen Schmiedemeister anstellen, der die anderen unterweisen könnte, sobald er die neue Kunst gemeistert hätte.
8
    Ich habe diese Dinge ausführlich erzählt, weil sie zu einem weiteren Ereignis führten, das großen Einfluß auf mein Leben ausüben sollte. Während Meister Schwarzschwanz sich bemühte, eine Schmiede einzurichten, gingen meine Ferien zu Ende und ich mußte wieder zur Schule trotten. Ich hatte mich an Freiheit und Unabhängigkeit gewöhnt, und selbst die Feinheiten der Dialektik dünkten mich nun verstaubt. Magister Martinus hielt mich für so weit fortgeschritten, daß er mich als Hilfslehrer verwendete, und ich mußte den neuen Schülern die Elemente der lateinischen Grammatik beibringen. Ebenso überläßt ein Handwerksmeister die rohe Arbeit seinen Lehrlingen und bringt selbst nur den letzten Schliff an.
    Magister Martinus erschien nun nur morgens, mittags und wieder am Abend, um alle seine neuen Schüler unparteiisch vom ältesten bis zum jüngsten durchzubleuen. Mir fiel die Aufgabe zu, sie zu trösten, indem ich ihnen erzählte, daß ich dieselben Prüfungen durchgemacht hatte; daß das heiße Bad des Lernens freilich die Haut verbrühe, aber als Lohn die Gelehrsamkeit und Ehrenstellen einbringe, und daß Bärenfett das lindeste und wirksamste Einreibemittel sei.
    Magister Martinus hielt es nicht für nötig, daß ich das Brevier studierte, da meine Geburt mich von der Priesterweihe ausschloß. So wurde ich sein unbezahlter Hilfslehrer, was mich gewaltig erboste, hieß es doch, daß ich auf jeden Fall meine bunten Hosen mit dem grauen Talar des Scholaren vertauschen müßte. Verbotene Früchte schmecken immer am süßesten, und ich konnte mir keine größere Seligkeit denken, als in den heiligen Priesterstand in der Gemeinschaft der Kirche aufgenommen zu werden.
    In solche Erwägungen vertieft, schlenderte ich eines Tages, ohne auf meine Umgebung zu achten, die Straße entlang, als ich durch ein schreckliches Gebrüll und schrille Notschreie aufgescheucht wurde. Kopflos fliehende Bürger rannten mich an und
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