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Michael, der Finne

Michael, der Finne

Titel: Michael, der Finne
Autoren: Mika Waltari
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Als die Nächte heller wurden, konnte ich nicht schlafen, sondern wanderte in den Vorstädten umher, sog den Duft der Vogelkirschen ein und lauschte dem Schrei der Eulen und dem Schnattern der Enten im Schilf. Ich sehnte mich nach Freundschaft, aber unter meinen Schulkameraden hatte ich keinen Freund, dem ich meine Gedanken offenbaren konnte. So wurde Pater Petrus mein Vertrauter, und die Beichte bedeutete mir sehr viel, obwohl er meine ängstlichen Fragen nicht immer beantworten konnte.
    Zweifellos hatte Pater Petrus viele Fehler, die er mit christlicher Demut trug, aber trotz alledem war er ein weiser Mann; denn als er mit Jungfer Pirjo lange gesprochen hatte, rief diese mich zu sich und erklärte mir: »Du hast mich oft gebeten, gleich den anderen Schülern während der Ferien das Land durchziehen zu dürfen. In diesen gottlosen Zeiten würdest du dadurch nur an Leib und Seele Schaden leiden; und dennoch ist es an der Zeit, daß du anfängst, zu deinem Unterhalt beirutragen. Daher haben Pater Petrus und ich beschlossen, daß du in den kommenden langen Ferien bei einem deutschen Feuerwerker arbeiten sollst, der kürzlich in unsere Stadt gekommen ist. Er sucht einen anständigen, verläßlichen Gehilfen – einen, der schreiben kann und ihm in der Pulvermühle und der Salpetersiederei helfen soll.«
    Hier begann sie zu weinen.
    »Nicht etwa, daß ich es so wollte – ich würde dich mit Freuden gleich einer Blume auf Händen tragen –, aber Pater Petrus meint, es sei nicht gut für dich, allein bei einer unverheirateten Frau zu wohnen, ohne die Gesellschaft und Unterweisung von Männern. Aber du mußt in der Pulvermühle vorsichtig sein und auf dich achtgeben; und jeden Samstag mußt du heimkommen, so daß ich dir einen Vorrat an Lebensmitteln geben kann – ja, ich würde dich niemals ein so gefährliches Gewerbe lernen lassen, wenn nicht dieser Meister, über dessen heidnischen Namen ich mir jedesmal die Zunge breche, gute Bezahlung versprochen hätte. Und Pater Petrus meint auch, ein Junge in deinem Alter solle nicht verhätschelt werden.«
    Meister Schwarzschwanz war in jenem Jahr zu Schiff aus Deutschland aufgebrochen, sobald das Wasser eisfrei war, und war in die Dienste des Schloßhauptmanns getreten. Er hatte einen Vertrag unterzeichnet, der viele Klauseln über Kanonengießen, Verbesserung der Pulvermühle und die Einrichtung einer Salpetersiederei enthielt. Viele nahmen dies für ein Zeichen, daß schlimme Zeiten bevorstanden.
    Meister Schwarzschwanz war ein untersetzter, breitschultriger Mann mit dunklem Gesicht und blitzenden, schwarzen Augen. Er brüllte seine Anweisungen laut hinaus, wohl weil er meinte, daß ihn die Arbeiter in der Pulvermühle dadurch besser verstehen würden. Als er sich überzeugt hatte, daß ich seiner Muttersprache mächtig war und schreiben konnte, verjagte er den Saufbruder von einem Schreiber, den er bis dahin aus Mangel an einem besseren beschäftigt hatte, und öffnete mir sein Herz. Er schalt auf den Schloßhauptmann und auch auf den Bürgermeister und wünschte dies ganze Volk von Einfaltspinseln in die heißeste Hölle, weil es ihn unter falschen Vorspiegelungen hergelockt habe. Er riß seine Mütze vom Kopf, schleuderte sie zu Boden und stampfte darauf herum, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen. Ich hatte noch nie einen so schrecklichen Mann gesehen. Offenen Mundes glotzte ich ihn an und versuchte, mir die fremdartigen Flüche und Verwünschungen zu merken, deren er, ein weitgereister Mann, einen unerschöpflichen Vorrat besaß.
    Ich fürchtete, er würde sich als gar strenger Meister erweisen; da er mich aber als verläßlich und vertrauenswürdig befand, wurde er zusehends milder und behandelte mich freundlich, brüllte auch nie mit mir, wenn ich Fehler machte. Er sah, daß ich mein Bestes tat, ihn zufriedenzustellen, und gestand, daß ich die Grundzüge seines Handwerks schnell erlernte.
    Die alte Mühle stand in einiger Entfernung von der Stadt am Flußufer, da man Wasser zum Befeuchten des Pulvers und auch im Falle einer Explosion zu Löschzwecken benötigte. Aber Meister Schwarzschwanz ging mit der Vorsicht des Erfahrenen zu Werke und mahlte Schwefel, Salpeter und Holzkohle getrennt zwischen hölzernen Scheiben. Die Holzkohle brauchten wir nicht erst mühsam selbst zu brennen, da wir mit erfahrenen Kohlenbrennern ins Geschäft kamen, deren Erzeugnis so hervorragend war, daß mein Meister schwor, er habe nie seinesgleichen gesehen, besonders die Birkenkohle,
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