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Mettwurst ist kein Smoothie

Mettwurst ist kein Smoothie

Titel: Mettwurst ist kein Smoothie
Autoren: Markus Barth
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den Mund gibt, haben sie aber einen leichten Vanillegeschmack. Die Tatsache, dass ich mir solchen Unsinn merke, machte mich direkt noch wahnsinniger.
    Ich versuchte also irgendwie bei Besinnung zu bleiben und las die Anzeigen auf dem Mittelgang-Monitor. «Flughöhe 30 000  Fuß. Außentemperatur: minus 35 ° C.» Wen interessiert denn das? Gibt es wirklich Menschen, die sich im Flieger denken: «Ui, das ist aber kalt da draußen, da lass ich das Fenster lieber zu.»?
    Meine Stimmung trudelte derweil in ungeahnte Tiefen. Aber dann kam die schlimmste Anzeige: «Verbleibende Flugzeit: 11  Stunden.»
    Ich wusste, dass ich das nicht überstehen würde. «Stefan, ich gehe!»
    Er schaute mich verwundert an. «Du hast schon verstanden, dass wir in der Luft sind, oder?»
    «Ich setz mich um», erwiderte ich unwirsch, klingelte nach der Flugbegleiterin und fragte sie nach einem anderen Sitzplatz. Offensichtlich war ich nicht der Erste, dem auf einem Mauritiusflug so etwas passiert ist. Die Stewardess schnupperte nämlich nur kurz, verstand sofort und führte mich unter den beleidigten Schmährufen der menschgewordenen Vanilleschote und einem leicht beschämten Kopfschütteln meines Freundes zehn Reihen nach vorne.
    Ich war erleichtert. Weg aus dem Vanille-Armageddon, dachte ich, weg von Frau Dodo mit der Mahagoni-Haut, weg, weg, weg!
    Doch als ich mich gerade auf den Platz fallen lassen wollte, schaute mich mein neuer Sitznachbar an und fischte aus seiner Tasche vier braune Ylang-Ylang-Ölfläschchen – die streng duftende Nummer drei unter den Mauritius-Souvenirs. Er verzog das Gesicht und jammerte mir in breitestem Schwäbisch entgegen: «Isch alles ausgloufe! Dr ganze Ruggsagg schtingt!» Fünf Sekunden später saß ich wieder zwischen Stefan und Misses Vanilli.
     
    Irgendwann sind wir dann gelandet. Mir war noch nie so sehr nach etwas Würzigem zumute. Stefan zog mich wortlos zu einem McDonald’s-Schalter und bestellte für mich «einen BigMac und ’ne große Portion Pommes».
    «Und noch zwei Pommes extra», rief ich dazwischen. «Für die Nasenlöcher!»
    Der Verkäufer schaute mich an. «Noch ’nen Vanilleshake dazu?»
    «Ich glaube nicht.»

[zur Inhaltsübersicht]
    Sprich! Mich! An!
    Manchmal merkt man einfach, dass ich vom Land komme. Mir selbst fiel das kürzlich wieder auf, als ich in Berlin in einem Hotel auf der Oranienburger Straße übernachtete und mir erst nach vier Tagen bewusst wurde, dass sich direkt vor der Tür der Straßenstrich befand. Ich war danach nicht ganz sicher, ob ich einfach komplett tittenblind bin oder nur wahnsinnig naiv.
    Zu meiner Beruhigung hat mich dann Marc besucht, ein alter Freund aus meinem Heimatort. Wir gingen gemeinsam über die Oranienburger Straße, und da Marc wirklich sehr gut, sehr wohlhabend und zu allem Überfluss auch noch ein bisschen stumpf aussieht, gaben die Prostituierten alles. Eine räkelte sich sogar auf einer Kühlerhaube, lächelte Marc zu, leckte sich die Lippen und spielte an ihren Brustwarzen herum. Marc schaute sich das Ganze im Vorbeigehen an und sagte kopfschüttelnd zu mir: «Na, die muss sich aber auch nicht wundern, wenn sie blöd angequatscht wird.»
     
    Henry dagegen, ein Freund aus Kreuzberg, wusste genau, was auf der Oranienburger Straße geboten wird, und besuchte mich eines Abends aus ebendiesem Grund. «Los, wir gehen Nutten gucken!», sagte er, keine zwei Sekunden nachdem er in meinem Hotelzimmer stand.
    «Warum?», fragte ich. «Wenn ich mich richtig erinnere, machen wir uns beide nichts aus Frauen, oder?»
    «Ja, eben!», sagte Henry. «Ich weiß schon genau, was ich sage, wenn uns eine anspricht.»
    «Ich muss jetzt mit dir auf die Oranienburger Straße, nur damit du ’nen lockeren Spruch loswerden kannst?»
    Henry legte den Kopf schief. «Darf ich dich daran erinnern, dass wir uns beide auf deine Idee hin mit siebzehn als Sensenmänner verkleidet haben und in dieses Oma-Café gegangen sind? Damit du mal sagen konntest: ‹Wir schauen uns nur um!›»
    Da hatte er leider recht. Ich wusste damals aber nicht, dass er mir das auch noch achtzehn Jahre später vorhalten würde.
    Also stimmte ich seufzend zu, und wir gingen los.
    Als wir die ersten Mädchen sahen, die wenige Meter vor uns betrunkene amerikanische Touristen angruben, wurde Henry richtig aufgeregt. «O Mann, geil! Guck dir die da vorne an! Die ganze Orsay-Kollektion an einem einzigen Körper …»
    Nachdem die Amis weitergezogen waren, legte Henry einen Zahn zu. «Jetzt
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