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Mettwurst ist kein Smoothie

Mettwurst ist kein Smoothie

Titel: Mettwurst ist kein Smoothie
Autoren: Markus Barth
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Knast! Onkel Rüdiger, der lieber eine Tante wäre!), fragte er: «Habt ihr auch irgendwelche Schocker in der Familie?», und schaute dabei direkt zu mir.
    «Du, äh … klar! Klar haben wir die», antwortete ich, nur um nicht nichts zu sagen.
    Leider hakte er sofort nach. «Was denn?»
    Ich kramte in meinen Erinnerungen und erzählte dann das Einzige, was mir in diesem Moment einfiel.
    «Ja, also meine Cousine zum Beispiel, die … ähm … die raucht.»
    Alle schauten mich irritiert an.
    «Raucht was? Crack oder wie?», fragte einer dann.
    «Nee …», sagte ich, und mein Gesicht fing schon an zu glühen. «Marlboro light.»
    In Sekundenbruchteilen hatte ich nicht nur die gebündelte Aufmerksamkeit verloren, sondern auch den Respekt aller am Tisch. Schnell schob ich deshalb hinterher: «Aber den Filter macht sie immer ab.»
    Es wurde nicht wirklich besser.
     
    Wir haben noch nicht mal ausländische Familienmitglieder, obwohl das eigentlich jeder begrüßen würde. Gerade ich, denn als Autor ist es richtig hinderlich, nur deutsch aufzuwachsen. Während der Entstehung dieses Buches wies mich mein Lektor ganz vorsichtig darauf hin, dass es marketingtechnisch wahnsinnig günstig wäre, wenn ich irgendwo in meiner Familie noch einen kleinen Migrationshintergrund finden würde.
    «Das machen momentan alle», sagte er. «Urplötzlich entdecken die Leute einen entfernten … was weiß ich: arabischen Schwippschwager, und schon kann man das Ganze als Ethno-Comedy verkaufen. Was meinst du, wie die Leute uns das Buch aus der Hand reißen, wenn wir es ‹Hummus ist keine Gartenerde – Erkenntnisse aus meinem deutsch-arabischen Leben› nennen!»
    So beharrlich redete er auf mich ein, dass ich irgendwann zu meinen Eltern fuhr und sie zum Gespräch bat. Ich dachte: Vielleicht gibt es ja doch etwas in unserem Stammbaum, von dem ich nichts wusste. Ich saß ihnen also gegenüber, musterte sie lange und startete dann einen schüchternen Versuch. «Papa, eine Frage … Du hast ja diesen sehr dichten, dunklen … fast schon orientalischen Schnauzbart …»
    Ich brach ab. Es hatte einfach keinen Sinn. Stattdessen bot ich meinem Lektor aus lauter Verzweiflung an, das Buch «Maria, er schmeckt nicht – Geschichten von meiner Kannibalensippe» zu nennen. Er fand allerdings, dass wir da ein Glaubwürdigkeitsproblem kriegen könnten.
     
    Ich erzähle das nur, um zu erklären, was auf der oben erwähnten Party geschah, nachdem Matze seine Frage gestellt hatte. Wahrscheinlich wollte ich einfach mal mithalten können. Auch mal was zu erzählen haben. Auch mal beim Quartett gewinnen. Und so beschloss ich, die Wahrheit ein bisschen aufzupimpen. Nicht zu viel, klar, sonst glaubt’s einem ja keiner.
    Ich sagte also lediglich:
    «Du, ich kann da nicht so mitreden, ich kenne meine Familie kaum. Ich wurde ja in diese buddhistisch-orthodoxe Naturreligionssekte hineingeboren, und mein Vater, also mein leiblicher Vater – nicht der Stiefvater und erst recht nicht der Pflegevater –, der war gar nicht in der Lage, sich um mich zu kümmern. Klar, das Kokain, das Heroin, der Tollkirschen-Kompott! Wenn du mich fragst, hat die Zeit mit Elvis und den Stones ihn einfach versaut. Als dann mein Bruder mich während eines Hafturlaubs aus seiner texanischen Todeszelle an einer Crackpfeife hat ziehen lassen, beschloss eine meiner drei Mamas, dass das keine Umgebung für ein Kind ist. Und da meine Tante Heinz-Bert aus Abu Dhabi mich auch nicht aufnehmen wollte, haben sie mich im Wald ausgesetzt.»
    Ich legte eine Kunstpause ein und ergänzte dann:
    «Tja, und so kam es eben, dass ich … von Wölfen großgezogen wurde.»
     
    Ich bin mir nicht ganz sicher, aber ich fürchte, mit dem letzten Satz habe ich Matze ein bisschen verloren.

[zur Inhaltsübersicht]
    Habibi
    «Habibi» ist arabisch, bedeutet so viel wie «Freund» und wird oft als Begrüßungsformel benutzt.
    Ich schreibe das hier nur als kleinen Service auf, falls irgendeiner meiner Leser mal in den orientalischen Imbiss «Habibi» auf der Zülpicher Straße in Köln gehen sollte.
    Ich selbst kannte die Bedeutung des Wortes nämlich nicht, und deshalb kam es dort zu folgender Szene:
     
    Ich betrat das vollbesetzte Restaurant, stellte mich an die Theke und studierte die große Speisekarte, die über der Essensausgabe hing. Schnell entschied ich mich für das Gericht «Habibi», einen bunten Mix aus allen Spezialitäten der arabischen Küche. Da kam auch schon der Koch, ein stämmiger
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