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Metro 2034

Metro 2034

Titel: Metro 2034
Autoren: Dmitry Glukhovsky
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man die Troika losgeschickt hatte. Dem Kommandeur schien es, dass die Leute hinter seinem Rücken flüsterten und ihm misstrauische Blicke zuwarfen. Selbst die intensivsten Gespräche verstummten, wenn er sich näherte, und in dem angespannten Schweigen, das dann folgte, glaubte er eine unausgesprochene Forderung zu vernehmen: Erkläre es uns, rechtfertige dich.
    Dabei tat er nur seine Arbeit - er sorgte für die Sicherheit der Außenposten an der Sewastopolskaja. Er war Taktiker, kein Stratege. Es gab ohnehin zu wenig Soldaten. Welches Recht hatte er, sie einfach so zu verheizen, indem er sie auf irgendwelche zweifelhaften, wenn nicht gar völlig sinnlosen Expeditionen schickte?
    Vor drei Tagen war er davon noch absolut überzeugt gewesen. Doch jetzt, da jeder verängstigte, missbilligende, zweifelnde Blick seine Gewissheit aushöhlte, begann er zu schwanken. Ein Aufklärerteam mit leichter Bewaffnung benötigte für den ganzen Weg von der Hanse und zurück nicht einmal einen Tag - selbst wenn man mögliche Kampfhandlungen und Verzögerungen an den Grenzen der unabhängigen Stationen berücksichtigte.
    Der Kommandeur befahl, niemanden einzulassen, schloss sich in seinem kleinen Büro ein, presste die heiße Stirn gegen die Wand und begann vor sich hin zu murmeln. Zum hundertsten Mal ging er alle Möglichkeiten durch. Was war mit den Händlern passiert? Was mit dem Spähtrupp?
    Vor Menschen hatte man an der Sewastopolskaja keine Angst -höchstens vielleicht vor der Armee der Hanse. Der schlechte Ruf der Station, die übertriebenen Erzählungen der wenigen Augenzeugen darüber, welch hohen Preis die Stationsbewohner für das eigene Überleben zahlten - all das war von den Händlern aufgenommen und per Mundpropaganda in der Metro verbreitet worden. Und es hatte bald Wirkung gezeigt. Die Stationsleitung begriff schnell, welche Vorteile eine solche Reputation mit sich brachte, und nahm deren Festigung fortan selbst in die Hand. Informanten, Kaufleute, Reisende und Diplomaten durften von nun an mit offizieller Genehmigung die schrecklichsten Lügenmärchen über die Sewastopolskaja und den gesamten Abschnitt jenseits der Serpuchowskaja erzählen.
    Nur wenige vermochten hinter diesem Vorhang aus Schall und Rauch die Attraktivität und wahre Bedeutung der Station zu erkennen. Vereinzelt hatten in den letzten Jahren ahnungslose Banden versucht, die Außenposten zu durchbrechen, doch die Kriegsmaschinerie der Sewastopolskaja, angeführt von ehemaligen Offizieren, zermalmte sie ohne weitere Probleme.
    Die Aufklärungstroika hatte jedenfalls genaue Instruktionen erhalten: Wenn sie auf eine Bedrohung trafen, sollten sie jegliche Konfrontation vermeiden und schnellstmöglich wieder zurückkehren. Natürlich gab es auf der Strecke noch die Nagornaja kein so furchtbarer Ort wie die Tschertanowskaja, aber dennoch gefährlich und unheilvoll. Und den Nachimowski prospekt, dessen
    Tore zur Oberfläche klemmten, weshalb er vor Eindringlingen von oben nicht ganz gefeit war. Die Ausgänge zu sprengen kam für die Sewastopolskaja nicht infrage, da die Stalker den Ausstieg am Nachimowski prospekt für ihre Expeditionen nutzten. Alleine wagte niemand die Station zu passieren, doch bisher war noch jede Troika mit den Kreaturen, die dort gelegentlich lauerten, fertig geworden.
    Ein Einsturz? Das Grundwasser? Ein Sabotageakt? Ein plötzlicher Überfall der Hanse? Es war der Oberst, nicht der Stationsvorsteher Istomin, der den Frauen der vermissten Aufklärer jetzt eine Antwort geben musste, während diese ihm unruhig und fragend in die Augen blickten, in der Hoffnung, dort ein Versprechen, einen Trost zu finden. Er musste es den Soldaten der Garnison erklären. Zum Glück stellten die keine überflüssigen Fragen und waren ihm noch - treu ergeben. Und schließlich musste er all die besorgten Leute beruhigen, die sich nach Feierabend an der Stationsuhr trafen, um nachzusehen, wie lange die Karawane schon unterwegs war.
    Istomin hatte erzählt, er sei in den letzten Tagen mehrfach gefragt worden, warum das Licht an der Station heruntergedreht worden sei. Einige Male hätten sie ihn sogar aufgefordert, die Lampen wieder auf die alte Leistung zu bringen. Dabei hatte niemand auch nur daran gedacht, den Strom herunterzufahren: Die Beleuchtung lief auf vollen Touren. Nein, es war nicht die Station selbst, sondern es waren die Herzen der Menschen, in denen die Finsternis zunahm, und nicht einmal die hellsten Quecksilberlampen kamen dagegen an.
    Die
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