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Metro 2034

Metro 2034

Titel: Metro 2034
Autoren: Dmitry Glukhovsky
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hat die Hanse gar nicht gern. Wenn sie Glück haben, finden sie ruckzuck einfach einen anderen Versorger. Wenn nicht . Aber was interessiert mich der Strom!Seit fast fünf Tagen ist der Tunnel mausetot, und kein Schwein zu sehen. Was, wenn dort was eingestürzt ist? Oder durchgebrochen? Was, wenn wir jetzt abgeschnitten sind?«
    »Halt die Luft an. Die Stromkabel sind in Ordnung. Die Zähler laufen, also scheint die Hanse ihren Strom zu bekommen. Einen Einsturz hätten wir doch sofort mitbekommen.Und wenn es Sabotage wäre, wäre nicht das Telefon, sondern die Stromleitungen gekappt. Und was die Tunnel angeht - wovor fürchtest du dich denn? Selbst in den besten Zeiten hat sich doch niemand hierher verirrt. Allein schon der Nachimowski prospekt: Ohne Begleitung kommst du da nicht durch. Fremde Händler wagen sich doch längst nicht mehr zu uns. Und die Banditen wissen inzwischen auch Bescheid - schließlich haben wir jedes Mal einen von ihnen lebend gehen lassen. Also keine Panik.«
    »Du hast gut reden«, brummte Wladimir Iwanowitsch, hob die Binde über der leeren Augenhöhle und wischte sich den Schweiß von der Stirn.
    »Ich geb dir drei Mann«, sagte der Oberst, nun etwas milder. »Mehr geht beim besten Willen nicht. Und hör auf zu rauchen. Du weißt doch, dass ich das nicht einatmen darf, außerdem vergiftest du dich selber!Ein Tee wäre mir ehrlich gesagt lieber .«
    »Aber bitte, immer gerne.« Der Vorsteher rieb sich die Hände, nahm den Telefonhörer ab und blaffte: »Istomin hier. Tee für mich und den Oberst.«
    »Lass den diensthabenden Offizier kommen«, bat der Kommandeur der Außenposten und nahm sein Barett ab. »Dann regle ich das gleich mit dem Suchtrupp.« Tee gab es bei Istomin immer einen besonderen, von der WDNCh, eine Auslese. Kaum jemand konnte sich so etwasnoch leisten, denn auf dem Weg vom anderen Ende der Metro hierher schlug die Hanse auf den Lieblingstee des Stationsvorstehers ganze drei Mal ihre Zölle auf. Das machte ihn so teuer, dass Istomin sich diese Schwäche wohl nie erlaubt hätte, wären da nicht seine guten Verbindungen an der Dobryninskaja gewesen. Mit irgendwem war er dort gemeinsam im Krieg gewesen, und so hatten die Karawanenführer, wenn sie von der Hanse zurückkamen, jedes Mal ein schmuckes Paket dabei, das Istomin stets persönlich in Empfang nahm.
    Vor einem Jahr allerdings hatte es erste Lieferausfälle gegeben, und alarmierende Gerüchte waren bis zur Sewastopolskaja gedrungen: Die WDNCh werde von einer neuen, furchtbaren Gefahr heimgesucht, die womöglich die gesamte orangene Linie bedrohte - anscheinend unbekannte Mutanten von der Oberfläche. Diese seien fast unsichtbar, praktisch unverwundbar und könnten Gedanken lesen. Es hieß, die Station sei gefallen, und die Hanse habe aus Angst vor einer Invasion die Tunnel jenseits des Prospekt Mira gesprengt. Die Teepreise schossen damals in die Höhe, eine Zeit lang war gar keiner mehr zu bekommen, und Istomin machte sich bereits ernsthaft Sorgen. Doch einige Wochen später hatten sich die Wogen geglättet, und die Karawanen brachten neben Patronen und Glühbirnen auch wieder den berühmten Tee zur Sewastopolskaja. War das nicht die Hauptsache?
    Während Istomin dem Kommandeur Tee in eine Porzellantasse mit abgeblättertem Goldrand goss, genoss er für einen Moment mit geschlossenem Auge den aromatischen Dampf. Dann schenkte er sich selbst ein, sank schwer in seinen Stuhl und begann mit einem Silberlöffelchen klingelnd eine Saccharintablette umzurühren.
    Die Männer schwiegen, und eine Minute lang war das melancholische Klingeln das einzige Geräusch in dem halbdunklen, mit Tabakrauch vernebelten Büro. Plötzlich wurde es von einem schrillen Glockenläuten übertönt, das fast im gleichen Takt - aus dem Tunnel heranflog: »Alarm!«
    Der Kommandeur der Außenposten sprang überraschend behende von seinem Platz auf und rannte aus dem Zimmer. In der Ferne knallte erst ein einsamer Gewehrschuss, dann setzten Kalaschnikows ein - eine, zwei, drei. Beschlagene Soldatenstiefel hämmerten über den Bahnsteig, und man hörte die kräftige Bassstimme des Obersts, wie sie -bereits aus einiger Entfernung -die ersten Befehle erteilte.
    Istomin streckte die Hand nach der glänzenden Miliz-MP aus, die an seinem Schrank hing, doch dann griff er sich ans Kreuz, stöhnte, winkte ab, setzte sich wieder an den Tisch und nahm noch einen Schluck Tee. Ihm gegenüber dampfte einsam die Tasse des Obersts, und daneben lag dessen Barett - er
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