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Metro 2034

Metro 2034

Titel: Metro 2034
Autoren: Dmitry Glukhovsky
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in Gedanken versunken. Immer wieder flüsterte sie vor sich hin, und ein paarmal seufzte sie tief. Dann blickte sie Homer forschend an: »Hast du alles aufgeschrieben, was mit mir passiert ist?«
    »Ich bin dabei.« Sie nickte. »Gut.«
    An der Dobryninskaja braute sich etwas zusammen. Die Wachen der Hanse waren verdoppelt worden, und die düsteren und wortkargen Soldaten am Eingang zur Station weigerten sich standhaft, Homer und die anderen durchzulassen. Weder die vielen Patronen des Musikers noch all seine Ausweise konnten sie beeindrucken. Schließlich hatte Homer den rettenden Einfall: Er forderte, man möge ihn mit Andrej Andrejewitsch verbinden.
    Nach einer langen halben Stunde kam endlich ein Funker angeschlurft, der ein dickes Kabel hinter sich ausrollte. Homer sprach mit drohendem Unterton in den Apparat, sie seien die Vorhut einer Kohorte des Ordens. Diese Halbwahrheit genügte, dass man sie umgehend durch die Station führte. Im Mittelgang war es stickig, als hätte man die Luft aus der Station gepumpt, und trotz der nachtschlafenden Zeit waren alle auf den Beinen. Endlich standen sie im Empfangszimmer des Vorstehers der Dobryninskaja.
    Dieser empfing sie, verschwitzt und ungepflegt, mit eingefallenen Augen und stinkender Fahne, auf der Schwelle seines Büros. Der Adjutant war nirgends zu sehen. Andrej Andrejewitsch sah sich nervös um, und als er Hunter nicht entdeckte, grunzte er: »Wann kommen die denn endlich?«
    »Bald«, versprach Homer.
    »An der Serpuchowskaja droht ein Aufstand.« Der Vorsteher wischte sich über das Gesicht und ging im Empfangszimmer auf und ab. »Irgendjemand hat die Geschichte mit der Epidemie ausgeplaudert. Keiner weiß, wovor man sich fürchten soll, und jetzt erzählen sie auch noch irgendwelche Märchen, dass angeblich Gasmasken nicht helfen.«
    »Das sind keine Märchen«, warf Leonid ein.
    »In einem der Südtunnel, die zur Tulskaja führen, hat eine komplette Wachmannschaft ihre Stellung verlassen. Feige Schweine!In dem zweiten Tunnel, wo sich der Zug der Sektierer befindet, stehen sie noch, obwohl diese Fanatiker sie bereits belagern und irgendwas vom Jüngsten Tag schreien. Und an meiner eigenen Station kann auch jederzeit die Hölle losbrechen. Wo bleiben sie nur? Sie sind unsere einzige Rettung!«
    Plötzlich hörte man lautes Fluchen von der Station her.
    Jemand schrie auf, dann ertönten die bellenden Rufe der Wachen. Als niemand Andrej Andrejewitsch antwortete, zwängte er sich zurück in sein Büro; wenig später hörten sie, wie ein Flaschenhals leise gegen ein Trinkglas stieß. Als hätte es darauf gewartet, dass der Vorsteher das Zimmer verließ, begann auf dem Schreibtisch des Adjutanten plötzlich das rote Lämpchen eines Telefons zu blinken. Es war der Apparat mit der Aufschrift Tulskaja auf dem Leukoplast-Streifen.
    Homer zögerte ein, zwei Sekunden lang, dann trat er an den Tisch, leckte sich über die trockenen Lippen und holte tief Luft. »Dobryninskaja hier!« »Was soll ich sagen?« Artjom blickte verdattert zum Kommandeur hinüber.
    Der war noch immer bewusstlos. Die trüben Augen, wie hinter einem zugezogenen Vorhang, wanderten ziellos umher und rollten immer wieder nach oben. Bisweilen durchfuhr ein Hustenanfall krampfhaft seinen Körper. Lungendurchstich, dachte Artjom. »Seid ihr noch am Leben?«, rief er in den Hörer. »Die Infizierten sind ausgebrochen!« In diesem Moment wurde ihm klar, dass man dort ja gar nicht wusste, was an der Tulskaja vor sich ging. Er musste also alles von vorne erzählen und erklären.
    Vom Bahnsteig her hörte er das Kreischen einer Frau, dann Maschinengewehrfeuer. Diese Geräusche schlüpften durch den Türspalt herein, man entkam ihnen nicht. Am anderen Ende der Leitung antwortete ihm jemand, fragte etwas, doch es war nur schlecht zu verstehen.
    »Ihr müsst den Ausgang versperren!«, sagte Artjom hastig. »Schießt sie nieder. Und bleibt auf Abstand!« Aber die wussten ja gar nicht, wie die Kranken aussahen.
    Wie sollte er sie beschreiben: als angeschwollene, aufgeplatzte, stinkende Wesen? Dabei sahen doch diejenigen, die sich erst vor kurzem angesteckt hatten, ganz normal aus. »Erschießt sie alle«, sagte er mechanisch.
    Nur was, wenn er selbst versuchte, die Station zu verlassen? Würde man ihn dann auch erschießen? Hatte er soeben sein eigenes Todesurteil gesprochen? Nein, er würde nicht mehr davonkommen. Hier gab es keine Gesunden mehr. Artjom fühlte sich plötzlich unendlich einsam.
    »Bitte legen Sie
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