Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
MERS

MERS

Titel: MERS
Autoren: D.G. Compton
Vom Netzwerk:
Feuer darin entdeckt werden,
und mochte es auch nur die Flamme eines einzigen Feuerzeugs sein. Das
Feuer würde also erlöschen, und die Leute im Raum
würden sterben. Nett, diese Priorität, und doch gab es
Leute, Wissenschaftler, die hier arbeiten wollten. Ich selbst hatte
hier gearbeitet.
    Schränke säumten die Wände, ruhige, weiße,
stählerne Schachteln, die unvorstellbare Unruhe bargen.
Dazwischen wirbelten Tape-Disks umher, prüften, machten kehrt,
wirbelten erneut herum. Informationen wurden analysiert, Befehle
erteilt. Und in den Laboratorien am anderen Ende der Verbindung
blühten Gencluster, geklonte Pflanzen, Gewebekulturen,
Bakteriophagen, zehn grüne Delphine. In Wirklichkeit blaugrau.
Hingen an den Wänden.
    Notwendig? War dieses Gespräch notwendig?
    Sehr gerade saß er an dem Schreibtisch. Er hatte die
Unterarme darauf gelegt, der verschlossene schwarze Koffer
dazwischen. Er hatte die Hände, die Handflächen nach unten,
flach ausgespreizt und starrte direkt vor sich hin.
    »Bert hat es gewußt«, sagte er. »Er hat auch
den Grund gewußt.«
    »Warum, Danno? Sag mir, warum!«
    Er hatte mich nicht gehört. Er sagte: »Dieses Flittchen
Wintermann. Sie hat es so haben wollen.«
    Ich wartete, wollte wissen, was es war, aber er war
irgendwo anders. Beim Flittchen Wintermann, vielleicht. Ich wollte
ihn wieder bei mir haben. Warum zählte nicht mehr
länger. Es faszinierte mich lediglich zu wissen, was es war.
    »Es, Danno?« Hör mir zu, Danno! Sex oder
Tod, Danno? Tod oder Sex? Hör mir zu! »Es?«
    Sein leerer Blick blieb unverändert. »Bert und ich haben
zusammengepaßt. Dieses Flittchen war« – er suchte
nach dem Wort – »ekelerregend. Einen Scheißdreck hat
sie gewußt. Sie hat nicht gewußt, daß es sein
Todestag war, die dumme Fotze, aber dagegen konnte ich nichts tun.
Wär auch egal gewesen, wenn sie’s gewußt hätte.
Flittchen sind so. Dumme Fotzen. Wollen es so haben.«
    Ich wiederholte meine Frage nicht. Er hatte völlig recht.
Dieses Flittchen war ekelerregend. Ich war ekelerregend. Meine Frage
war ekelerregend.
    Ich wollte ihn berühren, wagte es jedoch nicht. »Wenn du
mit Bert geredet hättest… als er noch am Leben war, Danno,
wenn du da mit Bert geredet hättest, hätte er dir
geholfen.«
    Also rede statt dessen mit mir. Ich bin am Leben. Vergib mir, und
rede mit mir, und ich werde dir statt seiner helfen.
    Langsam hob er den Kopf. Er war jetzt verwirrt, wie aus einer
Trance erwacht, und war völlig schutzlos. »Bert ist
gestorben«, sagte er. »Alle diese Leute reden, was hat ihm
das Reden genutzt? Was hat die Scheiß-Rederei jemals jemandem
genutzt, verdammt noch mal?«
    Die Muskeln in seinem Kiefer verhärteten sich. Tränen
liefen ihm das Gesicht hinab. »Ich habe sie erlebt. Schlaue
Leute und ihr Gequatsche. Das tun sie. Sie machen einander zur
Schnecke. Das tun sie.«
    Ich wußte, was er meinte. Aber was sonst stand mir zur
Verfügung?
    »Bert und ich haben geredet, Harri. Wir haben viel geredet,
aber nicht so. Wir sind Freunde gewesen… Jesus… Jesus
Christus…« Er schüttelte den Kopf. Noch nie hatte ich
einen Mann so weinen sehen. Wie ein Kind, ganz offen, ohne daß
es ihm etwas ausmachte. »Jesus Christus, Harri, was ist
bloß mit den Freunden geschehen?«
    Ich legte meine Hände auf die seinen. Jetzt wagte ich es. Er
zog seine Hände weg, meine Berührung war zu fremd, aber ich
folgte ihnen beharrlich. Ich legte sie zusammen und nahm sie in meine
Hände. Meine Möglichkeiten waren begrenzt: entweder die
Polizei oder… die Polizei. Ich hatte nichts zu sagen. Hätte
er nach Peter Simpsons Rehatherapie noch viele, liebende Freunde,
überlegte ich allen Ernstes?
    Ich blickte ihm ins Gesicht, und jetzt hielt er meine Hände,
bat mich, ihm zu helfen. Dieses Gespräch war meine Idee gewesen.
Es war notwendig. Ich hatte es Mark gesagt. Ich muß es Danno
sagen. Ich muß ihm sagen, daß ich zur Polizei gehen
werde. Woraufhin Mark geantwortet hatte, vielleicht kannst du ihn
dazu überreden, daß er sich stellt. Was für ein
überlegtes Gespräch wir uns vorgestellt hatten!
    Danno zog mich an sich. Er zog mich über den Schreibtisch und
barg das Gesicht an meiner Schulter. Er war kräftig. Männer
sind kräftig. Ich hielt ihn auch kräftig fest. Da
mußte er gewußt haben, daß ich ihn liebte.
    Ein schwaches, mechanisches Klickgeräusch durchbrach die
Stille des Raums, und daraufhin folgte ein Rumpeln, das ich einen
Augenblick lang nicht wiedererkannte. Der Aufzug fuhr nach
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher