Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
MERS

MERS

Titel: MERS
Autoren: D.G. Compton
Vom Netzwerk:
darin, keine Vergangenheit zu
haben. Keinen Schmerz zu haben. Harri war ein gutes Kind. Er setzte
sich an den Schreibtisch, schloß den Koffer und legte die
Ellbogen darauf. Über den Raum hinweg beobachtete er die Tape
Disks dabei, wie sie hinter ihren Glaspanelen umherwirbelten.
Verpißte PTG. Wer benötigte sie? Die Glocken schrillten in
einem fort.
     
    Ein Mädchen von NatSich lag auf dem Teppich im Korridor des
Erdgeschosses. Die Alarmglocken tönten hier lauter. Jemand hatte
das Mädchen durch den Mund erschossen, der zu der Zeit
offengestanden hatte. Sergeant Milhaus? Wenn Wächterinnen
dagewesen wären, wäre es für Milhaus einfacher
gewesen, mich draußen zu erwarten. Es gab nur einen Ausgang.
Darüber hinaus erkannte ich Dannos Handschrift wieder. Über
die Gründe würde ich später nachdenken.
    Gewappnet für weiteres ging ich an der toten Wächterin
vorüber ins Foyer. Ein totes Mädchen verdiente noch eines.
Und noch eines. Logisch, jedoch grundlos. Wenn Danno so logisch
handelte, so wahnsinnig war, warum hatte er mich gehen lassen? Er
wußte, ich wußte, er wußte, ich wußte von
Janni Wintermann. Etcetera. Sollte ich in seinem Wagen auf ihn
warten? Ich drückte mir die Aktentasche an die Brust.
    Zwei weitere tote Mädchen, zwei weitere haargenau sitzende
Schußwunden. Als ich Danno vom Wissenschaftsministerium aus
angerufen hatte, war er gerade dabei gewesen, Mädchen des
NatSich auf dem Schießstand auszubilden. Ich wollte glauben,
daß er sie gut ausbildete. Ich hatte seinen Job stets
verabscheut, aber irgend jemand hatte ihn halt erledigen
müssen.
    Ich stieg über den Leichnam der Wächterin am Eingang zum
Foyer und ging in die Nacht hinaus. Die Türen schlossen sich
hinter mir, schotteten das schlimmste Glockenschrillen ab. Dank
Brandts Bogenlampen war die Nacht heller als das Foyer. Ich stand
unterhalb des hellen Stahlvordachs und blickte links und rechts an
den schwarzen, schimmernden Wänden entlang. Eine schimmernde
schwarze Limousine mit dem Logo von NatSich (Dannos Wagen) war in der
Nähe geparkt, und dahinter stand ein weiterer Wagen (von
Milhaus?), ein ganz gewöhnlicher, weniger schicker blauer Wagen.
Ich glaubte, aus dem Augenwinkel eine Bewegung zwischen den Wagen
erhascht zu haben. Wenn es sich um eine Rückendeckung handelte,
war sie sehr diskret. Vielleicht hatte sie sich dorthin
zurückgezogen, als die Alarmglocken zu schrillen begannen. Nicht
viele Milhauses würden sich von dem hell erleuchteten
Kontrollraum anziehen lassen und wären gewillt, über die
Leichname hinweg hineinzugehen. Ich war froh, daß sie in Danno
jemandem begegnet war, der ihr ebenbürtig gewesen war.
    Ich ging los. Ich war lediglich eine weitere Wissenschaftlerin,
die nach einem langen Tag am Elektronik-Mikroskop spät nach
Hause ging. Sergeant Milhaus’ Rückendeckung würde mich
vielleicht nicht erkennen.
    Sie erkannte mich.
    »Dr. Kahn-Ryder? Hätten Sie bitte einen Augenblick
für mich Zeit, Dr. Kahn-Ryder?«
    Oswald Marton. Dr. verpißter Marton, Chefsekretär der
Ministerin.
    »Einen Augenblick Zeit für mich? Hmmm?«
    Aber er hatte ebenfalls eine Pistole. Ein merkwürdiger
Fehler. Sein Mantel mit dem dünnen Pelzkragen wirkte so
kultiviert, sein Haar so silbern, sein Schal so schick und seine
Schuhe waren so makellos sauber – ohne die Pistole hätte er
mich leicht übertölpeln können. Ohne die Pistole
hätte ich meine Achtsamkeit leicht lange genug fallenlassen,
daß er die Hände auf die C 4 -Ergebnisse
hätte legen können. Ohne die Pistole wäre mir die
Wahrheit langsamer gedämmert.
    Die Ministerin hatte von meinem Antrag auf Veröffentlichung
nie etwas erfahren. Marton hatten ihn abgefangen, und seitdem hatte
er sie und mich voneinander fern gehalten. Mein Nachmittagstermin bei
ihr, scheinbar bei ihr, war von ihm angesetzt worden, und er hatte
ihn eingehalten, da er gewußt hatte, daß sie im Parlament
beschäftigt war. Er war es, der mich nicht veröffentlichen
lassen wollte. Er war nicht bereit. Unikhem war nicht bereit. Gegen
einen Euro oder auch zwei hatte er ihnen versprochen, daß sie
als erste ins Ziel kämen, und ihre Wissenschaftler baten um
weiteres Material. Sie baten um die
Primaten-C 4 -Testergebnisse.
    In dem Augenblick, da er wüßte, daß ich sie in
meiner Aktentasche hatte, wäre ich tot. Mußte tot sein.
Anna ebenfalls. Wir wären beide tot.
    Ich blieb stehen, blieb stehen, wo ich war, auf dem
Bürgersteig vor Brandts Eingang.
    »Geben Sie mir Ihre Aktentasche!«
    »Ganz,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher