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Merlin - Wie alles begann

Merlin - Wie alles begann

Titel: Merlin - Wie alles begann
Autoren: Thomas A. Barron
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Adern, die wie Bächlein unter der Oberfläche flossen, während
     rotes Geglitzer wie von Tausenden winziger Herzen pulsierte. Er sah fast aus wie ein lebendiges Auge.
    Galator.
Das Wort kam mir plötzlich in den Sinn.
Er heißt Galator.
    Verwirrt schüttelte ich den Kopf. Woher kam dieses Wort? Ich erinnerte mich nicht es je gehört zu haben. Ichmusste es auf dem Dorfplatz aufgeschnappt haben, wo viele Sprachen   – Keltisch, Sächsisch, Latein, Gälisch und viele noch fremdartigere – täglich aufeinander trafen und sich vermischten. Oder
     vielleicht aus einer von Branwens Geschichten, die mit Wörtern der Griechen, Juden, Druiden und mit solchen noch älteren Ursprungs
     vermischt waren.
    »Emrys!«
    Ihr durchdringendes Flüstern überraschte mich so, dass ich zusammenfuhr. Ich schaute in die tiefblauen Augen der Frau, die
     mit mir ihre Hütte und ihre Mahlzeiten teilte, sonst aber nichts.
    »Du bist wach.«
    »Ja. Und du hast mich merkwürdig angestarrt.«
    »Nicht dich«, antwortete ich. »Deinen Anhänger.« Impulsiv fügte ich hinzu: »Deinen
Galator

    Sie stieß einen leisen Schrei aus. Mit einer Handbewegung schob sie den Anhänger unter ihr Gewand. Dann sagte sie betont ruhig:
     »Ich kann mich nicht erinnern, dass ich dir dieses Wort genannt habe.«
    Ich machte große Augen. »Soll das heißen, es gibt dieses Wort? Ist es das richtige Wort?«
    Sie betrachtete mich nachdenklich und wollte schon etwas sagen, schwieg dann aber. Schließlich mahnte sie: »Du solltest schlafen,
     mein Sohn.«
    Wie immer, wenn sie mich so nannte, wurde ich wütend. »Ich kann nicht schlafen.«
    »Soll ich mit einer Geschichte nachhelfen? Ich könnte dir die von Apollo zu Ende erzählen.«
    »Nein. Nicht jetzt.«
    »Ich könnte dir einen Trank bereiten.«
    »Nein danke.« Ich schüttelte den Kopf. »Als du das für den Dachdeckersohn getan hast, schlief er dreieinhalb Tage.«
    Sie lächelte. »Er hat eine Wochendosis auf einmal getrunken, der arme Narr.«
    »Es wird sowieso gleich hell.«
    Sie zog die raue Wolldecke um sich. »Nun, wenn du nicht schlafen willst, ich bin müde.«
    »Kannst du mir noch mehr über dieses Wort erzählen? Gal – oh, wie hieß es noch?«
    Sie schien mich nicht zu hören und mit der Decke ihren üblichen Mantel des Schweigens über sich zu breiten. Sie schloss die
     Augen und war innerhalb von Sekunden offensichtlich eingeschlafen. Doch der Friede, den ich zuvor in ihrem Gesicht gesehen
     hatte, war verschwunden.
    »Kannst du es mir nicht sagen?«
    Sie regte sich nicht.
    »Warum hilfst du mir nie? Ich brauche deine Hilfe!«
    Immer noch rührte sie sich nicht.
    Traurig betrachtete ich sie eine Zeit lang. Dann rollte ich von meinem Lager, stand auf und spritzte mir Wasser von der großen
     Holzschüssel an der Tür ins Gesicht. Als ich Branwen wieder anschaute, stieg erneut Zorn in mir auf. Warum antwortete sie
     nicht? Warum half sie mir nicht? Doch zugleich hatte ich Gewissensbisse, weil ich mich nie überwinden konnte sie Mutter zu
     nennen, obwohl ich wusste, wie sehr sie sich darüber freuen würde. Und doch . . . was war das für eine Mutter, die ihrem Sohn
     die Hilfe verweigerte?
    Ich zog an dem Schnurgriff der Tür. Sie kratzte über den Boden und öffnete sich. Ich ging hinaus.

II
EINE EULE KOMMT
    D er Himmel im Westen hatte sich verdunkelt, während der Mond fast untergegangen war. Ins Graue dunkelnde Silberstreifen säumten
     die dicken Wolken über dem Dorf Caer Vedwyd. In dem schwachen Licht sahen die buckligen Strohdächer wie eine Gruppe überschatteter
     Findlinge aus. Irgendwo in der Nähe hörte ich Lämmer blöken. Und meine Freunde, die Gänse, wachten allmählich auf. Im Farn
     rief zweimal ein Kuckuck. Unter den tropfenden Eichen und Eschen mischte sich der frische Duft der Hyazinthen mit dem Geruch
     feuchten Strohs.
    Es war Mai und im Mai konnte selbst ein langweiliges Dorf vor dem Morgengrauen reizvoll sein. Ich zog eine Klette vom Ärmel
     meiner Tunika und horchte auf die leisen Geräusche des Erwachens. Dieser Monat erregte mich wie kein anderer. Blumen hoben
     ihre Gesichter zum Himmel, Lämmer wurden geboren, Blätter sprießten. Und mit den Blumen blühten auch meine Träume auf. Im
     Mai bezwang ich manchmal meine Zweifel und glaubte, dass ich eines Tages die Wahrheit finden würde. Wer ich wirklich war,
     woher ich wirklich kam. Wenn nicht von Branwen, dann von jemand anders.
    Im Mai schien alles möglich. Wenn ich nur lernen könnte die Zeit zu zügeln. Jeden
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