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Merlin - Wie alles begann

Merlin - Wie alles begann

Titel: Merlin - Wie alles begann
Autoren: Thomas A. Barron
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wenn sie von den Riesen und Göttern sprach,
     den Ungeheuern und den Irrfahrten der Abenteurer in den griechischen Mythen.
    Sicher, sie erzählte auch gern Geschichten von heilkundigen Druiden oder von dem Wundertäter aus Galiläa. Aber ihre Geschichten
     über die griechischen Götter und Göttinnen zauberten ein besonderes Licht in ihre saphirblauen Augen. Zuweilen hatte ich fast
     das Gefühl, diese Geschichten zu erzählen sei ihre Art, von einem Ort zu reden, von dem sie glaubte, dass es ihn wirklich
     gab – ein Ort, wo seltsame Wesen durchs Land streiften und große Geister sich mit Menschen vereinigten. Das alles kam mir
     töricht vor, ihr aber offenbar nicht.
    Ein plötzlicher Lichtblitz an ihrer Kehle unterbrach meine Überlegungen. Ich wusste, dass es nur das Mondlicht war, das sich
     in ihrem juwelenbesetzten Anhänger spiegelte, auch wenn sein Grün heute Nacht leuchtender schien als je zuvor. Sie trug ihn
     immer noch an einem Lederband um den Hals und jetzt fiel mir ein, dass ich nie gesehen hatte, wie sie den Anhänger abnahm,
     nicht einmal für einen Augenblick.
    Hinter mir schlug etwas auf den Boden. Ich drehte mich um und sah ein Bündel trockener Blätter, schlank und silbrig im Mondlicht,
     mit Grashalmen zusammengebunden. Es musste vom Firstbalken gefallen sein, der nicht nur das Strohdach trug, sondern auch Dutzende
     Kräuterbüschel, Blumensträuße und Bündel mit Blättern, Wurzeln, Nüssen, Rindenstücken und Samen. Das warnur ein Teil von Branwens Sammlung, weitere Bündel hingen am Fensterrahmen, an der Tür und an dem schiefen Tisch neben ihrer
     Pritsche.
    Dank der Bündel duftete die Hütte nach Thymian, Buchenwurzel, Senfkörnern und anderem. Ich liebte diese Gerüche. Außer Dill,
     davon musste ich niesen. Zedernrinde mochte ich am liebsten, ihr Duft gab mir das Gefühl, riesengroß zu sein. Lavendelblätter
     ließen meine Zehen kribbeln und Seetang gemahnte mich an etwas, an das ich mich nicht richtig erinnern konnte.
    Branwen benutzte alle diese Zutaten für ihre heilenden Pulver, Pasten und Umschläge. Auf dem Tisch lag ein Sortiment von Schüsseln,
     Messern, Mörsern, Stößeln, Sieben und anderen Utensilien. Oft schaute ich ihr zu, wie sie Blätter zerstieß, Pulver mischte,
     Pflanzenaufgüsse siebte oder eine Heilmittelmischung auf die Wunde oder Warze eines Hilfesuchenden legte. Doch über ihre Heilpraxis
     wusste ich so wenig wie über sie selbst. Während ich zusehen durfte, sprach sie nicht, erzählte auch keine Geschichten. Sie
     arbeitete nur vor sich hin und sang meistens dabei.
    Wo hatte sie so viel über die Heilkunst gelernt? Wo hatte sie die Geschichten so vieler ferner Länder und Zeiten entdeckt?
     Wo war sie zuerst den Lehren des Mannes aus Galiläa begegnet, die sie zunehmend beschäftigten? Sie behielt es für sich.
    Nicht nur mich reizte ihre Schweigsamkeit. Oft flüsterten die Dorfbewohner hinter ihrem Rücken und stellten Vermutungen über
     ihre Heilkraft, ihre ungewöhnliche Schönheit, ihre seltsamen Lieder an. Ein- oder zweimal hatte ich sogar die Worte
Hexerei
und
schwarze Magie
gehört, obwohl sich die Leute davon nicht abhalten ließen,zu ihr zu kommen, wenn ein Geschwür geheilt, ein Husten gestillt oder ein Alptraum vertrieben werden musste.
    Branwen schien dieses Geflüster nicht zu beunruhigen. Solange die meisten Leute für ihre Hilfe zahlten und wir davon weiter
     leben konnten, war es ihr offenbar gleichgültig, was sie dachten oder sagten. Kürzlich hatte sie einen älteren Mönch versorgt,
     der auf den nassen Steinen der Mühlbrücke ausgerutscht war und sich den Arm aufgeschürft hatte. Während Branwen seine Wunde
     verband, sprach sie einen christlichen Segen, das schien ihm zu gefallen. Als sie jedoch ein Druidenlied sang, schimpfte er
     und warnte sie vor Gotteslästerung. Sie antwortete ruhig, Jesus selbst sei so darauf bedacht gewesen, andere zu heilen, dass
     er auf die Weisheit der Druiden oder andere Methoden zurückgegriffen haben könnte, die jetzt heidnisch genannt wurden. Da
     riss der Mönch wütend den Verband ab und ging, nicht ohne dem halben Dorf zu erzählen, dass sie Dämonenwerk treibe.
    Ich betrachtete erneut den Anhänger. Es kam mir vor, als würde er nicht nur das Mondlicht spiegeln, sondern aus eigener Kraft
     leuchten. Zum ersten Mal fiel mir auf, dass der Kristall in der Mitte nicht einheitlich grün war, wie es aus einiger Entfernung
     aussah. Als ich mich vorbeugte, entdeckte ich blaue und violette
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