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Merlin - Wie alles begann

Merlin - Wie alles begann

Titel: Merlin - Wie alles begann
Autoren: Thomas A. Barron
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starke Wangenknochen und eine helle, zarte
     Haut, die aber blau verfärbt war. Ihr langes blaues Gewand hing stellenweise in Fetzen und war mit Sand und Tang beschmutzt.
     Doch der schöne Wollstoff und der juwelenbesetzte Anhänger an einem Lederband um ihren Hals verrieten, dass sie einmal eine
     wohlhabende Frau von Stand gewesen war.
    Er hastete auf sie zu. Die Frau stöhnte wieder, aus dem Klagelaut war unerträglicher Schmerz herauszuhören. Der Junge konnte
     ihre Qual fast spüren, zugleich stieg seine Hoffnung.
Kenne ich sie?,
fragte er sich, während er sich über ihren gekrümmten Körper beugte, und dann mit tieferer Sehnsucht:
Kennt sie mich?
    Mit einem Finger berührte er ihre Wange, sie war kalt wie das kalte Meer. Er sah, wie mühsam und flach sie atmete, er hörte
     ihr jämmerliches Stöhnen. Und seufzend gestand er sich, dass sie eine völlig Fremde für ihn war.
    Doch während er sie musterte, konnte er die Hoffnung nicht unterdrücken, dass sie mit ihm an dieser Küste angekommen sein
     könnte. Wenn nicht dieselbe Welle sie hergetragen hatte, dann könnte sie zumindest vom selben Ort gekommen sein. Wenn sie
     am Leben blieb, wäre sie vielleicht in der Lage, die leere Schale seiner Erinnerung zu füllen. Vielleicht wusste sie sogar
     seinen Namen. Oder die Namen seiner Eltern. Oder vielleicht . . .
war
sie tatsächlich seine Mutter
.
    Eine eisige Welle schlug an seine Beine, kalte Schauer überliefen ihn. Seine Hoffnung schwand. Vielleicht blieb sie nicht
     am Leben und selbst wenn, würde sie ihn wohl nicht kennen. Und bestimmt konnte sie nicht seine Mutter sein. Das war zu viel
     Hoffnung. Sie glich ihm nicht im Geringsten. Sie sah wunderschön aus, selbst am Rande des Todes, schön wie ein Engel. Und
     er hatte sein Spiegelbild gesehen. Er wusste, wie er aussah. Weniger wie ein Engel als wie ein durchnässter, halbwüchsiger
     Dämon.
    Ein Knurren hinter seinem Rücken ließ ihn zusammenzucken.
    Der Junge fuhr herum. Sein Magen verkrampfte sich. Dort im Schatten des dunklen Wäldchens stand ein ungeheurer wilder Keiler.
    Ein tiefes, böses Knurren vibrierte in seiner Kehle, während der Keiler zwischen den Bäumen hervorkam. Borstiges braunes Fell
     bedeckte ihn bis auf die Augen und eine graue Narbe, die sich auf seinem linken Vorderbeinschlängelte. Seine Hauer, scharf wie Dolche, waren noch schwarz vom Blut einer früheren Beute. Noch erschreckender waren jedoch
     seine roten Augen, die glühten wie heiße Kohlen.
    Trotz seiner massigen Gestalt bewegte sich der Keiler gewandt, fast leicht. Der Junge wich zurück. Diese Bestie wog ein Mehrfaches
     von ihm. Ein Tritt von ihr würde den Jungen zu Boden strecken. Ein Stoß ihrer Zähne würde sein Fleisch in Fetzen reißen. Abrupt
     blieb der Keiler stehen, zog die muskulösen Schultern hoch und bereitete sich zum Angriff vor.
    Der Junge schaute hinter sich und sah nur die anstürmenden Meereswellen. Hier war keine Flucht möglich. Er griff nach einem
     krummen Stück Treibholz als Waffe, obwohl er wusste, dass es noch nicht einmal die Haut des Keilers ritzen würde. Dennoch
     versuchte er festen Halt auf den glitschigen Steinen zu finden und machte sich auf den Kampf gefasst.
    Dann fiel ihm etwas ein. Die Höhlung in der alten Eiche! Obwohl der Baum etwa auf halbem Weg zwischen ihm und dem Keiler stand,
     könnte er ihn vielleicht zuerst erreichen.
    Er wollte schon loslaufen, als er plötzlich innehielt. Die Frau! Er konnte sie nicht einfach hier lassen. Doch seine eigene
     Chance auf Rettung hing von seiner Schnelligkeit ab. Er verzog das Gesicht, warf das Treibholz weg und packte ihre schlaffen
     Arme.
    Er spannte seine zitternden Beine an und versuchte die Frau von den Felsen wegzuziehen. Von all dem Wasser, das sie geschluckt
     hatte, oder weil schon das Gewicht des Todes auf ihr lastete, fühlte sie sich so schwer an wie dieFelsen selbst. Endlich rührte sie sich unter den funkelnden Augen des Keilers.
    Der Junge zerrte sie auf den Baum zu. Scharfe Steine schnitten ihm in die Füße. Mit hämmerndem Herzen und schmerzendem Kopf
     zog er mit aller Kraft.
    Der Keiler knurrte wieder, diesmal klang es mehr wie ein gereiztes Lachen. Der ganze Körper war angespannt, seine Nüstern
     waren geweitet, seine Hauer leuchteten. Dann griff er an.
    Obwohl der Junge nur ein paar Meter vom Baum entfernt war, rannte er nicht, etwas hielt ihn davon ab. Er hob einen kantigen
     Stein auf und schleuderte ihn auf den Kopf des Keilers. Kurz bevor das Tier
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