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Merlin - Wie alles begann

Merlin - Wie alles begann

Titel: Merlin - Wie alles begann
Autoren: Thomas A. Barron
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ranzige Geschmack von Tang und Salzwasser würgte ihn.
    Mit Mühe hob er einen Arm und wischte sich den Mund mit den Fetzen seiner Tunika. Dann zuckte er zusammen, weil er die schmerzende
     Wunde am Hinterkopf berührt hatte. Er zwang sich aufzusitzen, stemmte den Ellbogen gegen einen Felsen und stieß sich hoch.
    Er saß da und horchte auf die stampfende, klatschende See. Hinter dem unaufhörlichen Pulsieren der Wellen,hinter dem Klopfen in seinem Kopf glaubte er für einen Moment etwas anderes zu hören – eine Stimme vielleicht. Eine Stimme
     aus einer anderen Zeit, von einem anderen Ort, aber er konnte sich nicht erinnern, woher.
    Mit jähem Schreck wurde ihm klar, dass er sich an
gar nichts
erinnern konnte. Woher er gekommen war. An seine Mutter. An seinen Vater. An seinen Namen.
An seinen eigenen Namen.
Sosehr er sich anstrengte, er fiel ihm nicht ein.
Sein eigener Name.
    »Wer bin ich?«
    Die Möwe hörte seinen Schrei, kreischte und floh.
    Er bemerkte sein Spiegelbild in einer Pfütze und schaute genauer hin. Das fremde Gesicht eines Jungen, den er nicht kannte,
     schaute zurück. Seine Augen waren wie sein Haar kohlschwarz mit goldenen Flecken. Die Ohren, fast dreieckig und oben spitz,
     wirkten seltsam groß für sein Gesicht. Auch die Stirn wölbte sich hoch über die Augen. Doch die Nase war schmal und klein,
     mehr ein Schnabel als eine Nase. Insgesamt schien sein Gesicht nicht zusammenzupassen.
    Er nahm seine ganze Kraft zusammen und stand auf. Vor seinen Augen drehte sich alles, er klammerte sich an einen Felsvorsprung,
     bis sich der Schwindel legte.
    Seine Blicke schweiften über den verlassenen Küstenstrich. Überall lagen Felsen aufgehäuft und bildeten einen schroffen schwarzen
     Wall zum Meer. Nur an einer Stelle teilten sich die Steine um die Wurzeln einer uralten Eiche. Der Baum war dem Ozean in einer
     Haltung zugewandt, die Jahrhunderte herausgebildet hatten, seine graue Rinde schälte sich. In den Stamm hatte vor langer Zeit
     ein Feuer eine tiefe Höhlung hineingefressen. Das Alter krümmtejeden Ast, hier und da hatte es einen in Knoten verdreht, und doch stand die Eiche weiter da mit fest verankerten Wurzeln
     und behauptete sich gegen Sturm und Meer. Hinter ihr war ein dunkles Wäldchen mit jüngeren Bäumen und dahinter ragten noch
     dunklere hohe Klippen auf.
    Verzweifelt suchte der Junge in der Landschaft nach irgendetwas, das er erkennen und das seine Erinnerung zurückbringen könnte.
     Nichts war ihm bekannt.
    Trotz des brennenden salzigen Sprühwassers wandte er sich wieder der offenen See zu. Eine Welle nach der anderen wälzte sich
     heran und brach. Nichts als endlose graue Wogen, so weit er sehen konnte. Er horchte wieder nach der geheimnisvollen Stimme,
     aber er vernahm nur den fernen Ruf einer Dreizehenmöwe auf den Klippen.
    War er von irgendwo dort draußen gekommen, jenseits des Meeres?
    Er rieb seine nackten Arme, damit das Frösteln aufhörte. Als er einen losen Klumpen Tang auf einem Felsen sah, hob er ihn
     auf. Er wusste, dass diese formlose grüne Masse einmal in ihrem eigenen anmutigen Rhythmus getanzt hatte, bevor sie entwurzelt
     den Wellen überlassen worden war. Jetzt hing sie schlaff in seiner Hand. Er fragte sich, warum er entwurzelt worden war, und
     wo.
    Ein leiser, klagender Laut drang an sein Ohr. Wieder diese Stimme! Sie kam von den Felsen hinter der alten Eiche.
    Er stolperte auf die Stimme zu und bemerkte zum ersten Mal einen dumpfen Schmerz zwischen den Schulterblättern. Er konnte
     nur vermuten, dass sein Rücken wie sein Kopf gegen die Felsen geschleudert worden war.Doch der Schmerz schien tiefer zu sitzen, als ob vor langer Zeit etwas unter seinen Schultern weggerissen worden wäre.
    Nach mehreren schwankenden Schritten hatte er es bis zu dem alten Baum geschafft. Er lehnte sich an den gewaltigen Stamm,
     sein Herz hämmerte. Wieder hörte er das geheimnisvolle Stöhnen. Er ging weiter.
    Oft rutschten seine nackten Füße auf den nassen Felsen aus und er taumelte zur Seite. Er stolperte weiter, seine zerrissene
     braune Tunika flatterte ihm um die Beine, er glich einem unbeholfenen Vogel, der sich seinen Weg über den Küstenstrich suchte.
     Doch die ganze Zeit wusste er, was er wirklich war: ein einsamer Junge ohne Namen und ohne Zuhause.
    Dann sah er sie. Zwischen den Steinen lag eine zusammengebrochene Frau, ihr Gesicht neben einer gurgelnden Lache. Die langen
     offenen Haare, gelb wie ein Sommermond, umgaben es wie Lichtstrahlen. Sie hatte
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