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Mercy, Band 2: Erweckt

Mercy, Band 2: Erweckt

Titel: Mercy, Band 2: Erweckt
Autoren: Rebecca Lim
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auf. Dann nimmt er die Kopfhörer von den Ohren, lehnt das Skateboard an sein Bein und holt tief Luft. Ich wende ihm mein Gesicht zu, denn ich ahne, dass der nun folgende, tiefe Stoßseufzer etwas mit mir zu tun hat.
    „Wie geht’s deiner Mum?“, bringt er hervor und streicht nervös seinen dicken Dreadlocks-Zopf über eine Schulter zurück. „Schlimm, dass sie so krank ist.“
    „Ja, schrecklich“, antworte ich distanziert und warte ab, worauf er hinauswill.
    Der Skater wird immer zappeliger, leckt über seine Unterlippe, bis sie kaugummirosa glänzt, und wischt sich die Hände an seinen Bermudashorts ab.
    Ich lasse ihn zappeln, warte stumm, ohne eine Miene zu verziehen, und der Typ wird knallrot unter meinem starren Blick. Endlich geht die Bustür auf und er schießt blitzschnell hinaus. Das Skateboard hat er unter den Arm geklemmt und die coole Kuriertasche tanzt auf seiner Hüfte.
    „Siehst toll aus“, murmelt er, als er auf dem Pflaster aufkommt. „Farbe steht dir echt gu t – solltest du öfter tragen. Vielleicht geh ich dann sogar mal mit dir aus. Wenn du Glück hast. Also bis dann!“
    He, was war das denn?, denke ich. Habe ich Halluzinationen? Die Tür schließt sich hinter ihm, der Bus fährt wieder an, und ich lächle vor mich hin. Hätte nicht gedacht, dass ich sein Typ bin. Obwoh l – was weiß ich denn, auf wen er normalerweise steht?
    „Na, wenn der nicht verknallt in Sie ist“, sagt die Busfahrerin über die Schulter, laut genug, dass die ganze vordere Bushälfte es hören kann. Sie zwinkert mir im Rückspiegel zu.
    Was du nicht sagst , wispert die böse kleine Stimme in meinem Hinterkopf, aber ich fange im Spiegel ihren Blick auf und nicke ihr lächelnd zu.
    Siehst du, sage ich zu Lela, die mich wahrscheinlich nicht hören kann, aber ich rede trotzdem mit ihr, aus Höflichkeit. Es geht doch schon ein bisschen aufwärts. Dann lehne ich mich zurück, ihr Tagebuch noch immer in der Hand. Vielleicht ist das ja diesmal meine Aufgabe, sofern ich mich darauf einlass e – vielleicht soll ich Lelas Liebesleben auf Trab bringen?
    Geht’s noch? , denke ich grinsend, weil mir dieser Ausdruck so gut gefällt.
    Aber warum auch nicht? Muss ja nicht immer gleich um Leben und Tod gehen.
    Doch als ich an das eingesunkene Gesicht von Lelas Mutter denke, an ihr mühsames Atmen, erlischt das Lächeln in meinem geborgten Gesicht. Natürlich geht es um Leben und Tod. Wie sollte es auch anders sein bei meiner Vorgeschichte?

Kapitel 3

    Die kurvige Brünette mit den harten, müden Augen bleibt an der Tür stehen. „Du wolltest doch zum Green Lantern “, sagt sie zu mir. „Das ist drüben auf der anderen Straßenseite, ich steige auch dort aus. Hab gehört, wie du mit der Fahrerin geredet hast. Ich bin Stammkunde im Green Lantern , ich hol mir da fast jeden Morgen meinen Kaffee und nachmittags auch. Und du hast mich äh m … schon mehr als einmal bedient, falls du dich erinnerst.“
    Ich stopfe Lelas Tagebuch in den Rucksack zurück, ziehe die Kordel zu und schließe die Klappe darüber. „Degenerative Gehirnerkrankung“, erwidere ich ohne Zögern und verziehe keine Miene dabei.
    Die Frau blickt mich scharf an, kommt aber zu dem Schluss, dass ich sie nicht auf den Arm nehme. Ihre Züge werden weich.
    „Das tut mir leid“, sagt sie, während sie geschickt ihren struppigen Pferdeschwanz durch das Gummiband stopft und einen dicken, wabbligen Knoten daraus macht.
    Die Bustür geht auf, und wir steigen an einer vierspurigen Durchgangsstraße aus, auf der die Autos Stoßstange an Stoßstange fahren. Der Mittelstreifen besteht aus einer Reihe parallel geparkter Fahrzeuge und verkümmerten Platanen, die in regelmäßigen Abständen gepflanzt sind.
    Als die Ampel auf Grün schaltet, ruft die Frau: „Okay, jetzt musst du da rüber, renn um dein Leben. Los!“
    Energisch packt sie mich an einem Zipfel meines Tanktops und zerrt mich zwischen zwei Autos hindurc h – einem Taxi, das gerade in einen Doppelparkplatz vor uns eingebogen ist, und einem Transporter, der laut hupend ausweicht. Auf dem Mittelstreifen halten wir zwischen den geparkten Autos an, um Atem zu schöpfen, dann stürzen wir über die anderen beiden Fahrbahnen auf die gegenüberliegende Seite. Wir entkommen ein paar Autos, die sich ein Rennen liefern, werden dann aber fast von einem Motorrad überfahren, das plötzlich angerast kommt.
    „Jetzt weißt du, warum ich den Kaffee brauche“, sagt die Frau mit grimmigem Lächeln. Sie lässt mein Top
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