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Mercy, Band 2: Erweckt

Mercy, Band 2: Erweckt

Titel: Mercy, Band 2: Erweckt
Autoren: Rebecca Lim
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f … verwundet, zu benommen, um zu begreifen, was getan werden musste, geschweige denn, um deine Hand gegen ihn zu erheben. Wir haben ein ganzes Jahrtausend gebraucht, um dich zu finden, und ein weiteres, bis du wirklich geheilt warst.“
    Gabriel und Uriel mögen ja glauben, dass ich wieder „da“ bin, aber es ist nicht wah r – noch immer liegt dieses leere, dunkle Meer am Grund meiner Erinnerung, ein schwarzes Loch, das seine Geheimnisse nicht preisgibt.
    „Obwohl du bewiesen hast, dass du eine große Betrügerin sein kannst“, fügt Gabriel ohne Bitterkeit und ohne Erklärung hinzu. „Nein, alles in allem war das vermutlich eine angemessene Strafe. Der freie Wille hat seinen Preis. Du warst gezwungen, immer wieder neu zu lernen, was es bedeutet, keinen zu habe n – etwas, was in deinem Fal l … eine besondere Prüfung sein muss.“
    Ein wilder Zorn lodert plötzlich in mir auf: Es kann nicht sein, dass wir hier philosophische Fragen erörtern, während Lela im Sterben liegt.
    „Du irrst dich“, sage ich. „Und Uriel auch. Die Menschen üben in jedem Augenblick ihres bewussten Lebens ihren freien Willen aus. Was meinst du, wie Ranald gestorben ist? Er hat entschieden, sich das Leben zu nehmen, und das ist Ausdruck eines freien Willens: die Freiheit, sich selbst zu vernichten.“
    Gabriel lacht freudlos. „Uriel hat erwähnt, dass deine Ansichten sich nicht geändert habe n … dass sie noch radikaler geworden sind. Menschen wie Ranald sind entbehrlich, reines Kanonenfutte r – leicht zu unterdrücken, schnell aus dem Ruder gelaufen. Jeder unseres Ranges kann sie beherrschen. Sie sind Abfall, nichts als Schwäche und Laster, unverbesserlich, unfähig zur Reue, niedrig, wertlos. All das, was ihr Wesen ausmacht, verschlingt sie am Ende. Sollte da auch nur der Hauch eines freien Willens im Spiel sei n – und ich glaube keine Sekunde dara n –, so ist es der Wille, sich versklaven zu lassen, die Verantwortung abzugeben. Und das nennt sich freier Wille?“ Die letzten Worte stößt er voll Abscheu hervor. „Das Leben lieben, ihm mit Ehrfurcht begegne n – was wissen sie davon? Sie sind nicht besser als wilde Tiere.“
    „So warst du früher nicht“, sage ich verwirrt. „Nicht s o …“
    „So hart, meinst du?“ Gabriels Lachen klingt bitter. „Ich habe die Menschheit lange genug beobachtet und über sie nachgedach t … Ach, es scheint mir wie eine Ewigkei t … All das Schreckliche, das sie sich selbst und anderen antun, ihre Gier, ihre moralische Blindheit. Manchmal bringt es mich dazu, meine eigene Bestimmung infrage zu stelle n …
    Aber genug der Ausflüchte, du musst gehen, es wird Zeit. Du weißt genau, was ich meine. Ich kann es in deinen Augen lesen. Du kannst nicht länger bleiben, das wäre unklug. Und verbiete dir jeden Gedanken daran, diese Seele hier „retten“ zu wollen. Vergiss sie. So wie du jedes dieser fehlerhaften Gefäße vergessen sollst, die wir für dich aussuchen.“
    „Lässt du mich frei?“, flehe ich, ohne auch nur eine Sekunde lang daran zu glauben, dass er es tun würde.
    Gabriels Stimme klingt müde, sanft. „Du weißt, dass ich das nicht kann. Verlange es nicht von mir“, sagt er bedauernd.
    Uriel hat mir dasselbe gesagt, als ich Carmen Zappacosta war.
    „Du warst immer einer, der sich an die Regeln hält“, erwidere ich bitter.
    „Und du hast dich von uns abgewandt und dich selbst verdammt“, zischt Gabriel. „Glaubst du, wir hätten nichts anderes zu tun, als dich zu beschützen?“
    Ich spüre, wie sich die Luft zwischen ihm und mir mit Energie auflädt und Feuer fängt wie trockener Zunder.
    „Erwecke nicht meinen Zorn, Mercy“, warnt er mich. „Du bist im Moment wahrhaftig nicht in der Position, dich mit mir anzulegen.“
    „Beweise es.“ Mein herausfordernder Ton facht das Wetterleuchten in seinen Augen noch mehr an. „Beweise mir, dass die Acht von Anfang an hinter meine r … Lage steckten. Du sagst, ich kann Luc nicht vertrauen? Dir kann ich auch nicht trauen. Wenn ich dir glauben könnte, wenn ich mich erinnern würde, wie ich in diesen verdammten Schlamassel hineingeraten bin, dann würde ich mich nicht so sehr gege n … meine Situation sträuben. Nichts zu tun, wäre dann leichter für mic h – mich von einem Ort zum anderen treiben zu lassen, wie die Wellen, die Wolken.“
    „Dann behalte dies.“ Gabriels Stimme ist wie der Wind, der durch alte Kiefern geistert, ein gewaltiger Sturm, der sich über dem Meer zusammenbraut. „Es
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