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Mercy, Band 2: Erweckt

Mercy, Band 2: Erweckt

Titel: Mercy, Band 2: Erweckt
Autoren: Rebecca Lim
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unvorstellbar schön werden sollt e – läuft furchtbar schief. So sollte unser Treffen nicht sein. Heute sollte es nur Licht geben, keinen Schatten.
    „Geben Sie auf, Sir!“, ruft ein Polizist Ranald über einen Lautsprecher zu. „Alle Eingänge und Ausgänge sind gesperrt. Sie können nirgends hin. Legen Sie die Waffe weg und ergeben Sie sich oder wir kommen rein!“
    Wie kann ein Mensch, der äußerlich so beherrscht, klug und umgänglich wirkt wie Ranald, innerlich derart vergiftet sein? Wie kann er so viel aufgestauten Zorn, Kränkungen und Neid mit sich herumtragen? Er ist ein Pulverfass, das jeden Moment zu explodieren droht und alles unter seinem Funkenregen begräbt.
    „Du hast getan, wozu du hergekommen bist“, sage ich zu ihm. „Du hast deine Hydra aus Computercodes und Bosheit verschickt, dein Virus, das eine ganze Unternehmensbranche lahmlegen kann. Aber lass die Leute hier gehen. Und mich auch. Vielleicht liegt dir nichts an deinem Leben, aber ich hänge an meinem. Ich bin so weit gereist, um an diesen Punkt zu kommen. Vor langer Zeit stand ich da, wo du jetzt stehst, und ich wurde nicht ausgelöscht. Ich habe mich für das Leben entschieden, oder das Leben hat sich für mich entschieden, und ich halte mich daran fest. Es ist nicht das Leben, das ich mir ausgesucht hätte, und dennoch nehme ich meine Zukunft an. Und die ist dort draußen.“
    Ich zeige durch das fliegenverklebte Fenster auf Ryan, spüre das Wogen des Meeres, das ich in mir trage. Ich suche seinen Blick und durch seine Augen kann ich in sein Herz sehen.
    „Lass mich gehen“, wiederhole ich leise. „Bitte.“
    Ranald umklammert mich noch fester, bohrt demonstrativ den Pistolenlauf in Lelas Halsmulde, nur um den Schrecken in Ryans Gesicht zu sehen. Und in meinem.
    „Du hattest nie die Absicht, mit mir auszugehen, stimmt’s?“, sagt er ruhig.
    „Es tut mir leid“, sage ich, „aber wir beide, das hätte nicht funktioniert, unter keinen Umständen.“
    Ranald hält mich weiter fest, ohne etwas zu erwidern, und ich kann mich nicht bremsen und sage heftig: „Du kommst hier nicht lebendig raus, ist dir das klar?“
    „Ich weiß“, wispert er und drückt einen Kuss auf Lelas wuscheligen rotbraunen Haarschopf.
    Ryan wird blass, und ich spüre, dass auch Lela erbleicht.
    Ranald zieht mich noch enger an sich, drückt den Pistolenlauf fester in Lelas Halsmulde. „Aber du auch nicht.“
    Dann erschießt er mich. Uns .
    Ein Aufschrei steigt aus der Menge draußen auf, und die Leute beugen sich vor, um besser sehen zu können.
    Ich spüre, wie ich rücklings zu Boden stürze, betäubt von dem Schock. Wie ich auf Ranalds bereits toten Körper falle. Seine Seele ist schon entwichen, und Azrael ist nicht da, um sie mitzunehmen.
    Es ist, als fiele Blut auf uns wie feiner Regen. Ich höre Ryan durch die Scheibe schreien: „Nein! Mercy, nein!“

Kapitel 20

    Ranald hat Lela in den Hals geschossen und die Kugel ist durch ihren Nacken ausgetreten und hat sein Herz durchbohrt. Er hatte es so geplant. Lela sollte ihn sterben sehen, dann vor Entsetzen selbst sterben, ihr Blut sollte sich in der Wunde vermischen, die er in ihren Körper gerissen hat. Bei vollem Bewusstsein sollte das Leben aus ihr entweichen.
    Nur ist nicht Lela Zeuge seines Todes, sondern ich. Ich spüre sie in mir, fest verkapselt, wie ein Kern, ein harter Knoten in ihrem eigenen Körper, ihre Seele eingerollt wie ein Embryo. Höchstwahrscheinlich spürt sie nichts, sieht nichts, merkt nicht einmal, dass sie stirbt. Und das ist an sich schon eine Gnade.
    Der körperliche Schmerz von der Schusswunde ist tief und unvermittelt, aber erträglich: Jemand mi t … meinen Gaben wird leicht damit fertig. Doch Lelas Rückenmark ist durchtrennt, ihr Lebenssaft entweicht und mischt sich am Boden mit Ranalds Blut. Ich sammle alle meine Kräfte in ihr, jage durch die zerfetzten, versengten Haut-, Knochen-, Nerven- und Muskelpartien, um das Gewebe zu reparieren, die Blutung zu stoppen, die Wunde vom Schießpulver zu reinigen. Aber Lela stirbt, ich weiß es, noch während ich sie mit aller Kraft zum Aufstehen dränge, zum Gehen, sie zu heilen versuche. Ich habe versagt. Ich kann sie nicht heilen, so wenig wie ich ihre Mutter heilen konnte. Einen Augenblick ist mir, als stünde Ryan über mir und hielte meine Hand. Aber das muss eine Illusion sein, die Lelas sterbender Geist mir vorgaukelt, denn ich höre Ryan draußen schreien: „Lasst mich doch endlich zu ihr rein, um Himmels willen!
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