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Menschliche Kommunikation

Menschliche Kommunikation

Titel: Menschliche Kommunikation
Autoren: Paul Watzlawick
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Untersuchungen betreffen den Einfluss der Erwartungen des Versuchsleiters auf den
Ausgang psychologischer Experimente und die offensichtlich rein analoge,
außerbewusste Kommunikation dieser Erwartungen. Seine Untersuchungen
haben einen kuriosen Vorläufer in der psychologischen Literatur, den Rosenthal [124, S. 137f.] ausführlich würdigt. Es handelt sich um den Klugen Hans, das Pferd des Herrn von Osten, das vor etwa sechzig Jahren durch
seine verblüffenden Kopfrechenleistungen Berühmtheit erlangte. Der Kluge
Hans klopfte die Lösung jeder an ihn entweder von seinem stets anwesenden
Herrn oder einer anderen Person gestellten Rechenaufgabe mit seinem Huf
auf den Boden. Der deutsche Psychologe Pfungst, den die rührende Annahme eines Pferdegenies nicht befriedigte, sagte sich sehr richtig, dass Herr
von Osten, dessen Ehrlichkeit außer Frage stand, seinem Pferd irgendwie
signalisieren musste, wann es oft genug geklopft hatte und daher aufhören
sollte. Pfungst gelang schließlich der Nachweis, dass das Pferd nicht zu klopfen begann, bevor ihm sein Herr nicht erwartungsvoll auf den Huf sah, und
dass von Osten beim Erreichen der richtigen Zahl seinen Kopf fast unmerklich hob und nach oben blickte. Die nie ausbleibende Verblüffung und der
Stolz seines Herrn dürften für den Klugen Hans höchst wirksame Verhaltensverstärkungen gewesen sein. Wie tief von Osten seinerseits mit seinem
Pferd gefühlsmäßig verbunden gewesen sein muss, erhellt daraus, dass er
bald nach Abklärung des Sachverhalts buchstäblich an gebrochenem Herzen
gestorben sein soll.

    In seinen eigenen Arbeiten replizierte Rosenthal dieses Phänomen sowohl mit Tieren als auch mit Menschen. Er konnte unter anderem nachweisen, dass Laborratten, von denen die Versuchsleiter annahmen, dass es sich
um besonders intelligente Tiere handelte, wesentlich bessere Lernleistungen
erzielten als Tiere derselben Gattung unter identischen Versuchsbedingungen, wenn den Versuchsleitern vorher glaubhaft gemacht wurde, dass es sich
um «dumme» Tiere handle. Geradezu beunruhigend sind Rosenthals Versuche mit Menschen, da auch hier subtilste, jedoch höchst wirkungsvolle Kommunikationen mitspielen, deren Übermittlung Sendern wie Empfängern
zwar nicht bewusst ist, das Verhalten der Empfänger aber nachdrücklich
beeinflusst. Die Bedeutung dieser Ergebnisse für die Erziehung, die Dynamik des Familienlebens und anderer menschlicher Beziehungen, besonders
auch für die Psychotherapie, sind noch nicht abzusehen.

    9 Dem Leser dürfte die Ähnlichkeit zwischen den analogen und digitalen Kommunikationsweisen und den psychoanalytischen Begriffen der primären und sekundären Prozesse nicht entgangen sein. Wenn man Freuds Beschreibung des Es vom intrapsychischen in den zwischenmenschlichen
Bezugsrahmen überträgt, wird sie praktisch zu einer Definition der Analogiekommunikation: Für die Vorgänge im Es gelten die logischen Denkgesetze nicht, vor allem nicht der Satz des Widerspruchs. Gegensätzliche
Regungen bestehen nebeneinander, ohne einander aufzuheben oder sich von
einander abzuziehen...

    Es gibt im Es nichts, was man der Negation gleichstellen könnte, auch
nimmt man mit Überraschung die Ausnahme vom Satz der Philosophen
wahr, dass Raum und Zeit notwendige Formen unserer seelischen Akten
seien [47, S. 103 £].

    10 Aus demselben Grund scheint die Annahme durchaus sinnvoll, dass
die Endgültigkeit einer Ehescheidung gefühlsmäßig viel eindrucksvoller
empfunden würde, wenn man die gewöhnlich sehr trockene und banale Aushändigung des Scheidungsdekrets durch irgendeine Form von analogem
Scheidungsritual (ähnlich der Hochzeitszeremonie) ergänzte.

    ' Schriftliche Protokolle verbaler Interaktionen stellen zwar eine
beträchtliche Vereinfachung des Materials dar, sind aber unbefriedigend, weil
sie kaum mehr als den rein sprachlichen Inhalt vermitteln, den Großteil des
analogen Materials dagegen (Volumen, Geschwindigkeit, Pausen und alle
anderen akustischen Stimmungsmanifestationen wie Lachen, Seufzen usw.)
unberücksichtigt lassen. Auch unsere Beispiele haben natürlich diesen Nachteil, obwohl sie fast alle sehr genaue Niederschriften von Tonbandaufnahmen
sind. Für eine Sammlung zahlreicher Beispiele menschlicher Interaktion sowohl in Niederschrift als auch auf Tonband vgl. Watzlawick, An Anthology of Human Communication. Text and Tape [152].

    2 Wir möchten nochmals darauf verweisen, dass für die Zwecke einer
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