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Menschensoehne

Menschensoehne

Titel: Menschensoehne
Autoren: Arnaldur Indridason
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Herzen. Was wollt ihr dagegen unternehmen? Gefühlsmäßige Argumente zählen bei mir nicht.«
    »Wenn ihr dieses Klonzentrum irgendwo in Europa betreibt, was machten Aggi und dieser Koreaner dann hier?«, fragte Kiddi Kolke.
    »Aggi hat einen großen Teil seines Lebens in Island verbracht. Ich betrachte Aggi als meinen Sohn, und ich will ihn auf Island bei mir haben, weil ich finde, dass er hier zu Hause ist. Ich habe nie Kinder gehabt, und Aggi hat mir sehr viel gegeben. Der Koreaner wollte den ersten geklonten Menschen des Kreutz-Konzerns sehen, um sich davon zu überzeugen, was wir für ihn tun könnten. Er wollte lieber nach Island als nach Deutschland reisen.«
    »Wer ist die Mutter dieses Jungen?«, fragte Pálmi und betrachtete durch die Scheibe den Albino, den Sævar Kreuz seinen Sohn nannte.
    »Sie ist, soweit ich weiß, im Altersheim«, antwortete Sævar Kreutz. »Er hat dieselbe Mutter wie euer Freund Aggi. Das Beste beim Klonen ist, dass sich nichts ändert, es sei denn, dass man es wünscht.«
    »Ich meine damit, wer hat ihn zur Welt gebracht?«
    »Der Konzern hat Prostituierte für seine Zwecke genutzt. Alle verwenden bei diesen Forschungen Prostituierte, weil es am billigsten ist. Ihnen mangelt es bei uns an gar nichts. So eine Frau ist nur biologisch gesehen für neun Monate Wirt. Sie hat nicht den geringsten Anteil an dem Kind.«
    Kiddi Kolke und Pálmi schauten sich verständnislos an.
    »Wenn du das Blut von den Jungs aus unserer Klasse genommen hast, sind dann vielleicht noch andere als Aggi geklont worden?«, tastete Pálmi sich vorsichtig vor.
    Zum ersten Mal antwortete Sævar Kreutz nicht umgehend. »Gibt es noch mehr davon?«, fragte Kiddi Kolke.
    »Es gibt Aggi, und dann noch deinen Bruder Daníel, Pálmi. Möchtest du Daníel sehen, als er klein war?«
    Pálmi brauchte eine ganze Weile, um zu begreifen, was Sævar Kreutz gesagt hatte, aber dann ging es ihm auf.
    »Um Himmels willen«, schrie er, sprang auf und rannte aus dem Zimmer, dicht gefolgt von Kiddi Kolke. Sie liefen den Flur entlang, bis sie zu einer Tür kamen. Pálmi riss sie auf, und sie standen mit einem Mal in dem weißen Raum, in dem sich der Koreaner und Aggi befanden. Der Greis erschrak bei dieser unerwarteten Störung. Er stand so schnell auf, wie Alter und Gesundheitszustand es ihm gestatteten. Diese Männer, die da gerade hereingestürmt waren, hatte er nie zuvor gesehen. Sie gingen auf den Jungen zu, und Pálmi legte ihm behutsam den Arm um die Schultern.
    »Wo ist Daníel?«, fragte er den Jungen so sanft, wie er es unter den gegebenen Umständen nur konnte.
    Kiddi Kolke stand ganz in der Nähe und war kurz davor, den Jungen zu fragen, ob er sich nicht an ihn erinnern konnte. ›Erinnerst du dich? Ich bin Kiddi, wir haben zusammen gespielt, als wir klein waren‹, aber er unterdrückte diesen Gedanken, denn wieder kam es ihm so vor, als wäre das alles überhaupt nicht wahr. Als wäre gar nichts mehr wahr. Überhaupt nichts.
    »Weißt du, wo Daníel ist?«, fragte Pálmi wieder. Der weiße Junge stand bewegungslos da und blickte abwechselnd von einem zum anderen. Der Koreaner war zurückgewichen, und Sævar Kreutz tauchte in der Tür auf.
    »Das ist völlig zwecklos«, sagte Sævar Kreutz. »Aggi hat keine Zunge und kann nicht sprechen. Er hat auch kein Gehör. Aber wir haben ihm die Gehörlosensprache beigebracht.«
    Kiddi Kolke schrie auf, rannte zu Sævar Kreutz und schlug ihn nieder. Pálmi ließ den Jungen los, lief zu ihnen hin und versuchte, Kiddi von dem am Boden Liegenden wegzuziehen. Der Koreaner stand in einiger Entfernung und beobachtete die Vorgänge, ohne etwas zu sagen.
    »Wo ist Daníel?«, brüllte Pálmi Sævar Kreutz an, der auf dem Boden lag und sich nicht zu rühren wagte. In diesem Augenblick tauchte der Sicherheitsbeauftragte in der Tür auf. Sævar Kreutz musste ihn herbeibeordert haben, nachdem sie aus dem Raum gerannt waren. Er wollte über Pálmi herfallen, der bei Sævar stand und ihn anschrie, aber Kiddi Kolke kam ihm zuvor, schnappte sich ihn und schleuderte ihn mit solcher Wucht durch den Raum, dass er die Möbel mit sich riss. Pálmi rannte aus dem Zimmer, Kiddi Kolke hinter ihm her, und sie schlugen die Tür hinter sich zu, und Kiddi stemmte sich dagegen. Etwas weiter hinten im Gang befand sich ein Aufzug. Pálmi lief hin und hämmerte auf den Knopf. Die Aufzugtür öffnete sich wie in Zeitlupe. Kiddi ließ den Türgriff los und sauste zum Aufzug. Die Tür wurde sofort aufgerissen,
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