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Menschensoehne

Menschensoehne

Titel: Menschensoehne
Autoren: Arnaldur Indridason
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dass Menschen reproduziert werden, sondern es wird nur unter der Hand gemacht, genau wie in der Drogenindustrie. Niemand darf Drogen herstellen, aber alle können sie kaufen.«
    Er machte eine kleine Pause und blickte durch die Scheibe. »Aggi hier ist zwölf Jahre alt«, sagte er, »ist das nicht phantastisch? Er ist allerdings noch nicht perfekt, die Pigmente sind noch nicht richtig. Aber seitdem wir ihn geklont haben, ist es uns gelungen, die Methode zu perfektionieren.«
    »Das ist pervers«, stieß Kiddi Kolke hervor. »Das ist hochgradig teuflisch und pervers. Er ist von einem größenwahnsinnigen modernen Frankenstein chemisch hergestellt worden, einem Mann, der Gott spielen möchte. Dieser Junge ist genauso wenig natürlich wie das Zeugs, das du uns gegeben hast. Das hier ist nicht Aggi, das ist ein Monster. Wo sind seine Eltern? Wo ist seine Familie? Wer ist seine Mutter? Wo ist er aufgewachsen, was weiß er vom Leben? Wo sind seine Freunde? Wie wird er darauf reagieren, wenn er erfährt, dass er wie eine Blume im Topf gezüchtet worden ist? Aggi ist tot, und nie wird so eine weiße Versuchsratte an seine Stelle treten. Wahrscheinlich sollte man nicht überrascht sein, dass Leute, die Versuche an Kindern anstellen, auch so weit gehen, sie zu klonen. Verfluchter Dreckskerl, du bist total übergeschnappt.«
    Kiddi Kolke war vor Wut aufgesprungen.
    »Das können wir alles für ihn organisieren«, machte Sævar Kreutz unbeirrt weiter. »Wir können ihm die Umgebung und die Erziehung geben, die wir wollen. Wir können ihm die Ausbildung geben, die wir wollen. Wir haben es völlig unter Kontrolle, was für ein Mensch aus ihm wird. Wir können die Zusammensetzung der Erbmasse steuern. Begreifst du das nicht? Wir können ihn nach unserem Bild erschaffen. Es bleibt nicht mehr dem Zufall überlassen, wie man wird, wann und wo auf der Welt man in welche Familie hineingeboren wird. Das haben wir alles unter Kontrolle. Du redest daher wie dieses ungebildete Pack, als wir die künstliche Befruchtung Wirklichkeit werden ließen. Wer diskutiert heutzutage noch über künstliche Befruchtung? Sie ist eine wissenschaftliche Leistung, die den Menschen auf der ganzen Welt Freude und Glück gebracht hat. Genau das Gleiche gilt für das Klonen. Du hast einen Sohn wie Aggi, der mit dreizehn Jahren stirbt, aber du kannst ihn wiederbekommen, indem du ihn reproduzieren und vielleicht sogar optimieren lässt. War er als Kind hyperaktiv? Das können wir beseitigen. War er nicht intelligent genug? Das können wir ausgleichen. Was ist daran kriminell?«
    »Er wäre trotzdem nur ein unbedeutender Abklatsch von dem Aggi, der er war«, erklärte Kiddi Kolke fauchend. »Er würde immer nur sein Schatten sein. Man kann nur ein einziges Individuum sein. Wie steht ein Mensch da, wenn es auf einmal zwei Exemplare von ihm gibt oder sogar drei? Wer ist man dann eigentlich? Du sagst, dass ihr das alles unter Kontrolle habt – aber wer kontrolliert euch? Ihr seid doch nur knallhart am Business interessiert, ihr denkt nur an den größtmöglichen Profit. Es geht euch doch überhaupt nicht um die Wissenschaft, sondern ausschließlich um die Kohle. Kriegt die Firma Kreutz vielleicht einen Anteil an einem, wenn man seine monatlichen Raten nicht zahlen kann? Wenn man nicht pünktlich bezahlt, verscherbeln sie einem dann womöglich das Herz?«
    »Ihr beiden scheint es immer noch nicht begriffen zu haben«, sagte Sævar Kreutz, immer noch hartnäckig darum bemüht, Kiddi Kolke und Pálmi von seinem Genie zu überzeugen, sie auf seine Seite zu ziehen, sie sehen und spüren zu lassen, dass das, was er tat, eine völlig normale Phase in der Entwicklungsgeschichte der Menschheit war. »Man bezeichnet das als geschlechtslose Vermehrung«, fuhr er fort. »Und da ist gar nichts Unnatürliches dabei. Ganz im Gegenteil, es gibt kaum etwas, was in der Natur so häufig vorkommt. Ich kann auch Beispiele aus der Bibel bringen. Als gläubiger Mensch behaupte ich rundheraus, dass Gott sich geklont hat, als er Jesus schuf. Das ist der allererste Hinweis auf das Klonen. In den letzten zwanzig Jahren mussten wir zahlreiche Probleme lösen, aber nachdem die künstliche Befruchtung Wirklichkeit wurde, haben sich neue Wege geöffnet. Sie ist nur eine etwas mildere Ausgabe des Klonens.«
    Er machte eine Pause, um sich eine Zigarette anzuzünden.
    »Bleibt mir bloß mit eurer Moral vom Leib. Heutzutage tragen Großmütter ihre eigenen Enkelkinder für ihre Töchter unter dem
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