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Memoria

Memoria

Titel: Memoria
Autoren: Raymond Khoury
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nach allen Seiten um. Von überall auf dem Gelände ertönten Dreiersalven und lange anhaltendes Rattern von Maschinengewehren. Dann drangen ein paar dumpfe Einschläge und ein gequältes Stöhnen aus dem Sprechfunk, und ich wusste, dass es wieder einen aus unserem Acht-Mann-Team erwischt hatte.
    Mein Körper erstarrte, während in meinem Inneren widerstreitende Impulse miteinander rangen. Ich richtete den Blick wieder auf den Mann, der neben mir kauerte. Sein Gesicht war schweißüberströmt und schmerzverzerrt, in seinem Oberschenkel klaffte eine blutende Wunde. Seine Lippen zitterten, seine Augen waren vor Angst geweitet, als wisse er, was bevorstand. Ich schloss die Hand fester um das Griffstück meiner Pistole. Mein Finger tippte unentschlossen an den Abzug, als sei er glühend heiß.
    Munro hatte recht.
    Wir mussten uns zurückziehen, ehe es zu spät war. Aber –
    Wieder schlugen Geschosse in die Wände um mich herum ein.
    «Das ist nicht Ziel unserer Mission», sagte ich tonlos in das Mikrophon, den Blick starr auf meine verwundete Beute gerichtet. «Ich muss versuchen –»
    «Was versuchen?», versetzte Munro. «Ihn rauszutragen? Sind Sie vielleicht Superman?» Ein anhaltendes Rattern drang aus dem Headset und hämmerte wie ein Pressluftbohrer auf mein Trommelfell ein. Dann wieder Munros eindringliche Stimme. «Knallen Sie den Hurensohn endlich ab, Reilly. Tun Sie es. Sie haben gehört, was er getan hat. ‹Im Vergleich dazu wird Meth so langweilig wie Aspirin erscheinen›, erinnern Sie sich? Und Sie haben Skrupel, diesen Dreckskerl aus dem Weg zu schaffen? Wollen Sie ihn lieber laufen lassen, ist das Ihr Beitrag zur Verbesserung der Welt? Wohl kaum. Das wollen weder Sie noch ich auf dem Gewissen haben. Wir sind hergekommen, um eine Aufgabe zu erfüllen. Wir haben unsere Befehle. Wir befinden uns im Krieg, und er ist der Feind. Also vergessen Sie Ihre blödsinnige Moral, knallen Sie den Mistkerl ab und machen Sie, dass Sie wegkommen. Ich warte nicht länger.»
    Seine Worte hallten noch in meinem Schädel wider, als die nächste Salve die Rückwand des Labors aufriss. In einem Hagel von Holzsplittern und Glasscherben warf ich mich zu Boden und suchte hinter einem der Laborschränke Deckung. Mein Blick huschte zu dem Wissenschaftler hinüber. Keine Frage, Munro hatte recht. Es gab keine Möglichkeit, ihn mitzunehmen. Nicht mit dieser Verletzung. Nicht, wenn wir vor einer kleinen Armee kokainwütiger
banditos
fliehen mussten.
    Verdammt, so hatte es nicht laufen sollen.
    Es sollte ein schneller, klinischer Eingriff werden, ausgeführt von mir, Munro und den übrigen sechs kampferprobten Jungs unseres OCDETF -Kommandos. OCDETF stand für Organized Crime Drug Enforcement Task Force, die Einsatztruppe zur Bekämpfung organisierter Drogenkriminalität, ein Regierungsprogramm, in dem die Kräfte von elf Behörden vereinigt wurden, darunter meine, das FBI , und Munros DEA , die Drogenbehörde. Wir sollten im Schutz der Dunkelheit unbemerkt auf das Gelände vordringen, McKinnon finden und rausholen. Das heißt ihn und seine Forschungsergebnisse. So weit, so gut, jedenfalls was das unbemerkte Vordringen aufs Gelände betraf. Der Einsatz war allerdings nach McKinnons unerwartetem Anruf in aller Hast geplant worden. Viel Zeit zur Vorbereitung war uns nicht geblieben, und die Informationen, die wir über das abgelegene Drogenlabor beschaffen konnten, waren vage, aber ich rechnete uns dennoch ganz gute Chancen aus. Immerhin waren wir entsprechend ausgerüstet – Maschinenpistolen mit Schalldämpfern, Nachtsichtbrillen, schusssichere Westen. Über uns kreiste eine Überwachungsdrohne. Außerdem hatten wir das Überraschungsmoment auf unserer Seite. Und wir hatten in unseren nunmehr vier Monaten in Mexiko bereits mehrmals ziemlich erfolgreiche Überraschungsangriffe auf andere Labors durchgeführt.
    Schnell rein und schnell wieder raus, glatt und sauber.
    Was das «Rein» betraf, lief auch alles wie am Schnürchen. Aber dann kam uns McKinnons Last-Minute-Überraschung in die Quere, Munro drehte durch, der Wissenschaftler bekam einen Schuss in den Oberschenkel, und damit war das «Raus» gründlich vermasselt.
    Ich hörte jetzt hektische Rufe auf Spanisch. Die
banditos
kamen näher.
    Ich musste handeln. Wenn ich noch länger zögerte, würde ich ihnen in die Hände fallen, und ich gab mich keiner Illusion darüber hin, was mir dann blühte. Sie würden mich foltern bis zum Äußersten. Teils um Informationen zu bekommen,
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