Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Memoria

Memoria

Titel: Memoria
Autoren: Raymond Khoury
Vom Netzwerk:
Anfang.
    Jetzt wusste er es besser.
    Diese Wilden, das hatte er erkannt, waren edle Menschen.
    «Ihre
medicina
zu nehmen, ihre heiligen Tränke», sagte er zu Álvaro, «hat mir neue Welten eröffnet. Was Ihr eben erlebt habt, ist erst der Anfang. Ihr könnt nicht erwarten, dass ich einer solchen Offenbarung den Rücken kehre.»
    «Ihr müsst», beharrte Álvaro. «Ihr müsst mit mir zurückkehren. Jetzt, ehe es zu spät ist. Und wir dürfen nie wieder über das hier sprechen.»
    Eusebio fuhr überrascht zurück. «Nicht darüber sprechen? Denkt nach, Álvaro. Gerade über das hier müssen wir sprechen. Wir müssen es studieren und begreifen und beherrschen lernen, damit wir dieses Wissen mitnehmen und nach unserer Rückkehr mit unserem eigenen Volk teilen können.»
    Auf Álvaros Gesicht zeichnete sich Entsetzen ab. «Es mit unserem Volk teilen?» Er spie die Worte aus wie Gift. «Ihr wollt anderen von dieser, dieser … dieser Blasphemie erzählen?»
    «Diese Blasphemie ist eine Erleuchtung. Eine höhere Wahrheit, die sie erfahren müssen.»
    Álvaro war jetzt außer sich vor Zorn. «Eusebio, ich warne Euch», zischte er. «Der Teufel hat mit seinem Elixier seine Klauen tief in Euch geschlagen. Ihr droht in Verdammnis zu fallen, mein Bruder. Ich kann das nicht tatenlos mitansehen, bei Euch nicht und auch sonst bei keinem Glaubensbruder. Ihr müsst errettet werden.»
    «Ich habe die Pforten des Himmels bereits durchschritten, mein alter Freund», entgegnete Eusebio ruhig. «Und die Aussicht von hier ist atemberaubend.»
     
    Es dauerte fünf Monate, bis Álvaro eine Nachricht an den Erzbischof und den Prälat-Vizekönig in Mexiko-Stadt geschickt, ihre Antworten erhalten und seine Männer zusammengerufen hatte, und so war es Winter, als er an der Spitze einer kleinen Armee erneut in die Berge aufbrach.
    Um seinen Freund aufzuhalten.
    Um seinen frevlerischen Ideen ein Ende zu machen, koste es, was es wolle.
    Um dem Teufel mit seinen heimtückischen Versuchungen das Handwerk zu legen und seinen Freund vor der ewigen Verdammnis zu bewahren.
    Bewaffnet mit Bogen, Pfeilen und Musketen, erklomm die vereinigte Streitmacht aus Spaniern und Indianern die ersten Ausläufer der Sierra. Die steilen, unwegsamen Pfade waren von dichtem, verfilztem Gestrüpp bedeckt. Winterregen hatte die Wege, die gewunden an den zerklüfteten Bergen hinaufführten, zu tiefen, steinigen Kanälen ausgewaschen, und herabhängende Äste erschwerten das Vorankommen zusätzlich. Man hatte sie gewarnt, es gebe in dieser Gegend Berglöwen, Jaguare und Bären, aber die einzigen Lebewesen, denen sie begegneten, waren gierige
zopilote-
Geier, die über ihren Köpfen kreisten und auf ein blutiges Festmahl lauerten, und Skorpione, die sie bis in ihren unruhigen Schlaf verfolgten.
    Je höher sie aufstiegen, umso kälter wurde es. Den Spaniern setzte die Kälte schwer zu, sie waren ein viel wärmeres Klima gewohnt. Tagsüber kämpften sie sich über nasse, felsige Hänge voran, nachts kauerten sie um ihre Lagerfeuer, bis sie sich endlich, Meile um beschwerliche Meile, dem dichten Wald um die Siedlung näherten, in der Álvaro Eusebio zuletzt gesehen hatte.
    Zu ihrem Erstaunen fanden sie die Pfade, die sich durch den Wald schlängelten, von gewaltigen Baumstämmen versperrt, die offenbar von den Eingeborenen gefällt worden waren. Der Befehlshaber der Truppe, der einen Hinterhalt befürchtete, wies seine Männer an, das Tempo zu verlangsamen, was ihr Leiden noch verlängerte. Die Nerven aufs äußerste angespannt, krochen sie zwischen den dichten Trauerkiefern durch einen düsteren Wald. Nach drei quälenden, zermürbenden Wochen erreichten sie endlich die Siedlung.
    Es war niemand dort.
    Die Eingeborenen und Eusebio waren verschwunden.
    Álvaro gab nicht auf. Er trieb seine Männer weiter, und die eingeborenen Fährtenleser verfolgten die Spur des Stammes durch die Gebirgsfalten der Sierra, bis sie am vierten Tag an eine tiefe
barranca
kamen. Über die Schlucht, an deren Grund ein Fluss toste, war eine Hängebrücke gespannt gewesen.
    Die Seile der Brücke waren durchtrennt.
    Es führte kein Weg hinüber.
    Überwältigt von Zorn und Verzweiflung starrte Álvaro auf die Seile, die über die Felskante hingen.
    Er sah seinen Freund nie wieder.

II
    Mexiko
Vor fünf Jahren
    «Drücken Sie verdammt noch mal ab und sehen Sie zu, dass Sie hier rauskommen», blaffte Munro in mein Headset. «Wir müssen verschwinden, SOFORT !»
    Was du nicht sagst.
    Ich sah mich hastig
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher