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Melville

Melville

Titel: Melville
Autoren: Natalie Elter
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davon erfahren. Mein Geheimnis.

    Ich
gebe mein Taschengeld nun häufiger für einen neuen hilflosen
Hamster aus, während ich die Vorgänger achtlos in Mülltonnen auf
dem Weg zur Schule entsorge und es fällt niemanden auf, dass es
nicht mehr der Gleiche ist, den ich geschenkt bekommen habe.

1984

    „Ich
weiß nicht, was ich noch mit dir machen soll, Melville!”, er ist
wütend. Ich stehe in seinem Büro, schweigend. Ich habe mittlerweile
gelernt, dass es besser ist in diesen Situation nicht zu
widersprechen. Drei Jahre nun versucht er mich schon so zu erziehen.
Drei endlose Jahre.
    „Das
ist dein zweiter Tadel dieses Semester. Du machst deiner Familie
Schande, Melville. In vierter Generation geht die Familie Lancaster
auf diese Eliteschule und du schaffst es, die Arbeit und den Fleiß
aller zu vernichten.”. Er wurde heute wieder zu meinem Direktor
bestellt. Das letzte Mal ist gerade einmal zwei Monate her.
    „Hast
du etwas dazu zu sagen, Junge?”, er drückt grob mein Kinn nach
oben, damit ich ihm in die Augen blicken muss.
    „Nein,
Sir.”, nuschle ich leise.
    „Ich
werde dir Anstand und Ordnung schon einbläuen, Melville. Es kann
nicht sein, dass du ein Mädchen deiner Klasse, auch noch von einer
uns befreundeten Familie, fast krankenhausreif prügelst.”. Ich
sehe wieder zu Boden. Ich erinnere mich an ihre Schreie, aber auch an
die verletzenden Worte, die sie mir zuvor an den Kopf geworfen hatte.

    Hat
deine Mama dir nicht beigebracht, wie man sich benimmt? Ach ja,
stimmt, du hast ja gar keine Mama. Wahrscheinlich hat dich eine
Giraffe ausgetragen, so lang und tollpatschig wie du bist.

    Ihre
Freundinnen standen um sie herum und haben mich ausgelacht. Ich hatte
angefangen zu weinen und wollte gehen, doch sie sind mir hinterher
gerannt.

    Ooh,
jetzt weint das Giraffen-Söhnchen... na, na, na, Giraffenkind, na,
na, na, Giraffenkind...

    sangen
dann alle im Chor. Mein erster Faustschlag traf sie mitten in das
Gesicht, in ihre falsche Fratze. Ich spüre noch in meinen
Fingerknöcheln, wie ihre Nase unerwartet und mit einem knackenden
Geräusch nachgab. Und obwohl ich jetzt Angst vor meinem Vater habe,
erfüllt mich die Erinnerung an ihr hervorquellendes Blut mit
Genugtuung. Ihr Schmerz ist jede Strafe wert.

    „Was
gibt es da frech zu grinsen, Melville? Ich werde schon dafür sorgen,
dass du wieder auf die richtige Bahn gelangst. Hol den Stock!”. Ich
nicke nur und schlucke meine Wut und meine Angst herunter. Er setzt
sich auf die Ledercouch, auf seinen angestammten Platz, während ich
mich herumdrehe und aus einem Schrank in seinem Büro einen langen
dünnen Rohrstock hole. Meine Knöchel sind weiß vor Anspannung, als
sich meine Kinderhände um das Holz legen. Ich hasse dieses
Instrument so sehr...
so sehr.
    „Du
weißt, wo dein Platz ist!”, raunt er mir mit tiefer zorniger
Stimme entgegen, als er mir den Stock aus der Hand reißt und beginnt
sich die Ärmel hochzukrempeln.
    Ja,
ich weiß, wo mein Platz ist. Es ist fast schon zum wöchentlichen
Ritual geworden. Langsam streife ich meine Hose herunter und beuge
mich der Gewalt meines Vaters. Es dauert ihm zu lange.
    „Ich
habe nicht ewig Zeit, junger Mann!“ und zieht mich mit einem Griff
über seine Knie.
    Grob
schlägt er auf mich ein, ich kneife meine Augen fest zusammen und
presse meine Lippen aufeinander. Ich will nicht laut aufschreien,
doch er schlägt nur fester zu. So lang, bis ich endlich meine Strafe
wahrnehme, meine Schmerzenstränen hervortreten und ich um Vergebung
bettele. Wie er mich mit seinem anderen Arm schwer herunterdrückt
und ich mich nicht entziehen kann. Als die Haut dann nachgibt und ich
jegliches Hoffen auf seine Gnade fallen lasse, vergesse ich alles um
mich herum und ergebe mich seiner Form von Erziehung. Ich bin ihm
unterlegen und hilflos ausgeliefert.
    Drei
Jahre.

    In
meinem Zimmer dann liege ich auf dem Bauch und drücke mein heißes
Kindergesicht in die Kissen. Es schmerzt, es blutet und ich weiß,
dass ich die nächsten Tage in der Schule nicht wirklich werde sitzen
können. Jonathan kommt wieder einmal zu mir. Er versucht mich zu
trösten.
    „Mel,
es wird schon wieder gut.”.
    „Verschwinde!”.
    „Komm
schon, es ist doch nicht meine Schuld. Du darfst Papa nicht immer so
wütend machen.”.
    „Wieso
schlägt er dich nicht?”.
    Jonathan
setzt sich zu mir auf das Bett, ich merke, wie er erst versucht seine
Hand auf meinen Rücken zu legen, es aber doch sein lässt.
    „Ich
weiß nicht, vielleicht, weil ich
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