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Meister Antifer's wunderbare Abenteuer

Meister Antifer's wunderbare Abenteuer

Titel: Meister Antifer's wunderbare Abenteuer
Autoren: Jules Verne
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der Aegypter offen anvertraute. Er sollte nicht enttäuscht werden, und alles vollzog sich in erwünschter Heimlichkeit. Wer die Fremden waren und welcher Nation sie angehörten, das wußte nur Kamylk-Pascha ganz allein.
    Drei doppelwandige und von eisernen Reisen umgebene Fässer, die ganz den Eimerfässern glichen, worin der spanische Wein versendet wird, hatten hingereicht, jene Schätze zu bergen. Diese wurden unbemerkt an Bord eines neapolitanischen Speronare geschafft, auf dem sich ihr Besitzer in Begleitung des Kapitän Zo, freilich unter vielerlei Gefahren, eingeschifft hatte, denn jener war von Kairo bis Alexandria verfolgt und seit seinem Eintreffen in dieser Stadt niemals aus dem Auge gelassen worden.
    Fünf Tage darauf setzte der Speronare ihn im Hafen von Latakie ans Land, und von hier aus erreichte er Aleppo, den von ihm vorläufig erwählten Wohnsitz. In Syrien, das unter der Verwaltung seines alten Generals Abdallah, des derzeitigen Pascha von Saint-Jean d’Acre stand, hatte er von Murad ja nichts mehr zu fürchten. So kühn Mehemet Ali auch sein mochte, voraussichtlich konnte er ihm tief in einer Provinz, über die der Hohen Pforte alle Rechte zustanden, weder schaden, noch sich seiner Person bemächtigen.
    Und doch sollte das vielleicht möglich werden.
    Im Jahre 1830 nämlich brach Mehemet-Ali plötzlich alle Beziehungen zum türkischen Großherrn ab. Die Vasallenbande, die ihn an Mahmud fesselten, zu zerreißen, Syrien seinen ägyptischen Besitzungen einzuverleiben, vielleicht gar Beherrscher des ganzen Türkenreichs zu werden – solche Gedanken waren für den Ehrgeiz des Vicekönigs nicht zu hoch. Ein Vorwand war ja leicht genug gefunden.
    Von den Beamten Mehemet Ali’s bedrückte Fellahs hatten in Syrien unter Abdallah Schutz gesucht. Der Vicekönig verlangte die Auslieferung der Bauern. Der Pascha von Saint-Jean d’Acre verweigerte diese.
    Mehemet Ali bestürmte den Sultan um die Ermächtigung, Abdallah mit Waffengewalt zu zwingen. Mahmud antwortete zunächst, daß jener die Fellahs als türkische Unterthanen dem Vicekönig von Aegypten nicht auszuliefern habe, bald darauf aber gab er, da es ihm darauf ankam, sich der Unterstützung Mehemet Ali’s oder wenigstens dessen Neutralität beim Ausbrechen des Aufstandes des Paschas von Scutari zu sichern, die gewünschte Vollmacht.
    Verschiedene Ereignisse, unter anderen das Auftreten der Cholera in den Hafenplätzen der Levante, verzögerten den Aufbruch Ibrahim’s an der Spitze von zweiunddreißigtausend Mann und einer Flotte von zweiunddreißig Schiffen. Kamylk-Pascha erhielt damit Zeit, die ihm drohende Gefahr zu durchschauen, wenn die Aegypter wirklich in Syrien landeten.
    Er war jetzt einundfünfzig Jahre alt, und einundfünfzig Jahre eines schwer bewegten Lebens bringen einen Mann schon nahe an die Schwelle des Greisenalters.
    Ermüdet und entmuthigt, aller Illusionen beraubt und nur voll Verlangen nach der Ruhe, die er in der stillen Stadt Aleppo erhofft hatte, sollte ihm diese doch durch die Zeitereignisse nicht gewährt werden.
     

    Bald darauf saß der Kapitän in der Jolle. (S. 29.)
     
    Es war vielleicht schon unklug von ihm, in Aleppo zu bleiben, als Ibrahim sich gegen Syrien in Bewegung setzte, obwohl es sich zu Anfang ja nur um eine Bestrafung des Pascha von Saint-Jean d’Acre handelte. Niemand wußte freilich, ob der Vicekönig nach Absetzung Abdallah’s seine siegreiche Armee aufhalten, ob sich sein Ehrgeiz mit Züchtigung eines Schuldigen begnügen würde. Er konnte ja die Gelegenheit wahrnehmen, um Syrien, das langersehnte Ziel seiner Wünsche, zu erobern. Dann waren nach Saint-Jean d’Acre auch Damaskus, Sidon und Aleppo durch die Söldner Ibrahim’s bedroht. Und diese Befürchtung lag nur allzunahe.
    Diesmal faßte Kamylk-Pascha einen endgiltigen Entschluß. Wenn auch niemand seiner Person zu nahe zu treten drohte, so kam doch sein Vermögen, um das ihn Murad schon lange beneidete, in Gefahr, denn dieser Verwandte sachte es ihm ohne Zweifel mit Gewalt zu entreißen, wenn er auch dem Vicekönig einen großen Theil davon abtreten mußte.
    Nun galt es also, diese Schätze verschwinden zu lassen, sie an einem so versteckten Ort unterzubringen, daß kein Mensch sie finden konnte. Dann konnte er den Verlauf der Ereignisse abwarten. Später, ob sich Kamylk-Pascha dann wider Willen genöthigt sah, das ihm so an’s Herz gewachsene Morgenland zu verlassen, oder ob Syrien wieder so sicher wurde, daß er sich daselbst ohne Sorge
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