Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Meister Antifer's wunderbare Abenteuer

Meister Antifer's wunderbare Abenteuer

Titel: Meister Antifer's wunderbare Abenteuer
Autoren: Jules Verne
Vom Netzwerk:
dreihundert Toisen messen mochte und das aus einem Oval von hundertfünfzig Toisen in der Länge und von sechzig bis achtzig Toisen in der Breite bestand.
    Es zeigte keine durcheinander geworfnen und übereinandergethürmten Felsmassen, die zuweilen den Gesetzen des Gleichgewichts zu spotten scheinen. Ohne Zweifel verdankte es seinen Ursprung vielmehr einer allmählichen Erhebung der Erdrinde und keinem plötzlichen Aufdringen aus der Tiefe. Seine Ränder waren weder ausgebuchtet, noch durch scharfe Vorsprünge gezähnt. Ohne irgendwelche Aehnlichkeit mit jenen seltsamen Muscheln, die die Natur zuweilen mit den phantastischten Formen ausstattet, zeigte das Eiland vielmehr die Regelmäßigkeit der obern Schale einer Auster oder des Rückenschildes einer Schildkröte. Dieses Schild zeigte sich in der Mitte etwas erhöht und stieg an der höchsten Stelle etwa hundertfünfzig Fuß über die Meeresfläche empor.
    Von Bäumen oder sonstigen Erzeugnissen der Pflanzenwelt war darauf ebensowenig eine Spur zu entdecken, wie davon, daß es schon jemand besucht und untersucht hätte. In Berücksichtigung seiner noch von niemand festgestellten Lage und seiner »marmornen« Dürre, die jede etwaige Ansiedlung hier völlig ausschloß, hätte Kamylk-Pascha gar keinen bessern Platz finden können, dem er seine Schätze sichrer anvertrauen konnte.
    »Wahrlich, das sieht aus, als ob es die Natur besonders dazu geschaffen hätte,« meinte der Kapitän Zo.
    Inzwischen glitt die Brigg-Goëlette, immer mehr Segel bergend, ganz langsam näher, und in der Entfernung von nur einer Kabellänge wurde Befehl zum Ankerwerfen gegeben. Sofort sank der auf dem Krahnbalken liegende Anker herab, zog rasselnd die Kette durch die Klüsen nach und senkte sich bei zwanzig Faden Wasser in den Meeresgrund.
    Die nächste Umgebung dieser Felsenmasse fiel also, auf dieser Seite wenigstens, sehr steil ab. Ein Schiff hätte sich ihm noch weiter nähern, ja vielleicht unmittelbar daran anlegen können, ohne auf Grund zu gerathen. Besser erschien es jedoch immer, sich in einiger Entfernung zu halten.
    Als die Brigg-Goëlette von ihrem Anker festgehalten wurde, ließ der Obersteuermann die letzten Segel einziehen, und der Kapitän Zo begab sich nach dem Oberdeck.
    »Soll ich das große Boot klar machen lassen, Excellenz? fragte er.
    – Nein… nur die Jolle. Ich ziehe es vor, daß wir erst beide allein an’s Land gehen.
    – Wie Sie befehlen.«
    Bald darauf saß der Kapitän mit zwei leichten Riemen in der Hand vorn und Kamylk-Pascha hinten in der Jolle. Nach kurzer Fahrt legten sie am Hintergrund eines kleinen Einschnittes an, wo eine Landung leicht zu bewerkstelligen war. Ein Dregganker wurde sorgfältig in einer Felsenspalte befestigt und seine Excellenz nahm von dem Eilande Besitz.
    Bei dieser Gelegenheit wurde natürlich keine Flagge gehißt und kein Kanonenschuß abgefeuert. Es war ja kein Staat, der hier Fuß faßte, sondern ein Privatmann, der mit dem Gedanken landete, nach drei bis vier Stunden wieder abzusegeln.
    Kamylk-Pascha und der Kapitän Zo überzeugten sich zuerst, daß die Steine des Vorlandes nicht auf sandigem Untergrund ruhten, sondern unter einem Winkel von dreißig bis sechzig Grad unmittelbar aus dem Meere aufstiegen. Seine Entstehung verdankte es also bestimmt einer submarinen Bodenerhebung.
    Sie begannen ihre Untersuchung mit einem Rundgange und stießen dabei auf eine Art krystallisierten Quarz, der nirgends die Spuren einer Verletzung zeigte. An keinem Punkte war das Gestade vom Salzwasser des Meeres angenagt Auf der trocknen und krystallinischen Oberfläche fand sich keine andre Flüssigkeit, als etwas Wasser, das von den letzten Regenfällen in kleinen Vertiefungen zurückgeblieben war. Von Vegetation keine Spur, nicht einmal Flechten oder jene Seemoose, die anspruchslos genug sind, aus jedem von Winde dahingetriebenen Keime zwischen Felsenspalten aufzusprossen. Ebenso wenig gab es – lebende oder abgestorbene – Muschelthiere, nur da und dort etwas Vogelguano, von einigen Möwen und Seeschwalben herrührend, die in dieser Gegend das Thierleben allein vertraten.
    Nach Umkreisung der Insel bestiegen Kamylk-Pascha und der Kapitän die Mittenerhebung des Eilands. Nirgends hatte das Ufer die Andeutung eines älteren oder neueren Besuchs verrathen, überall zeigte es eine sozusagen krystallinische Sauberkeit ohne Zerbröckelungen oder Fußspuren.
    Oben angelangt, befanden sich die beiden Männer etwa hundertfünfzig Fuß über der
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher