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Meister Antifer's wunderbare Abenteuer

Meister Antifer's wunderbare Abenteuer

Titel: Meister Antifer's wunderbare Abenteuer
Autoren: Jules Verne
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die es nun bereits fünfzehn Monate lang machte, ja nicht einmal über die Gegend, wo es sich heute befand, da es bald mit vollen Segeln und bald vor nur wenig Leinwand einmal über ein Binnenmeer und dann wieder über den grenzenlosen Ocean hinglitt.
    Während dieser unerklärlichen Fahrt war mehrfach hohes Land in Sicht gewesen, der Kapitän entfernte sich dann aber davon so schnell wie möglich. Einzelne Inseln, die gelegentlich signalisiert wurden, umsegelte er in großem Kreise. Eine Einsicht des Logbuchs hätte merkwürdige Coursveränderungen erkennen lassen, die weder durch Umspringen des Windes, noch durch den Zustand des Himmels gerechtfertigt schienen. Sie bildeten ein Geheimniß zwischen dem Kapitän – einem Sechsundvierzigjährigen mit borstigem Kopfhaar – und einer Persönlichkeit mit vornehmer Erscheinung, die eben jetzt aus der Treppenkappe hervortrat.
    »Nichts?… fragte der Herr.
    – Nichts, Excellenz…«, lautete die Antwort.
    Eine Bewegung der Enttäuschung mit den Schultern beendete das, aus ganzen drei Wörtern bestehende Gespräch. Dann stieg der Herr, dem der Kapitän jenen Ehrentitel beigelegt hatte, wieder die Treppe hinunter und verschwand in seiner Cabine. Auf einem Divan ausgestreckt, schien er hier einer Art Schlafsucht zu verfallen. Und obwohl er sich nicht regte, als ob diese sein ganzes Sein und Wesen gefesselt hielte, schlief er doch nicht. Man fühlte vielmehr heraus, daß er unter dem Drucke einer fixen Idee stehen müsse.
    Diese Persönlichkeit mochte etwa fünfzig Jahre zählen. Seine hohe Gestalt, der mächtige Kopf, das üppige, schon ergrauende Haar, sein langer, über die Brust getheilt herabwallender Bart, die durch einen scharfen Blick belebten Augen, der stolze, doch offenbar bekümmerte, ja entmuthigte Gesichtsausdruck und die Würde seines Auftretens verriethen in ihm den Mann von hoher Herkunft. Sein Anzug war unmöglich zu erkennen. Ein weiter brauner Burnus, mit Schnurenbesatz und vielfarbigen Flittern an den Aermeln, verhüllte ihn von den Schultern bis zu den Füßen, und auf dem Kopfe trug er eine grünliche Mütze mit schwarzer Troddel.
    Zwei Stunden später setzte ihm ein junger Bursche das Frühstück auf einem, am Fußboden der Cabine befestigten Tische vor. Den Fußboden selbst bedeckte ein dichter bunter Teppich mit etwas hervortretendem Blumenmuster. Kaum that er den verlockend angerichteten Speisen einigen Bescheid, außer dem frischen, duftenden Kaffee, den zwei silberne, sein ciselierte Tassen enthielten, dann wurde ihm ein Nargileh, aus dem wohlriechende Wölkchen aufstiegen, vorgesetzt, und er überließ sich, das Bernsteinmundstück zwischen den über einer blendenden Zahnreihe etwas geöffneten Lippen haltend, inmitten des milden Duftes des Latakieh wieder seiner gewohnten Träumerei.
    So verfloß ein Theil des Tages, während die Brigg-Goëlette, von langer Dünung leicht geschaukelt, ihren unbestimmten Lauf über das Meer fortsetzte.
    Gegen vier Uhr erhob sich Seine Excellenz, ging einige Male auf und ab, blieb einen Augenblick vor den halboffenen runden Lichtpforten stehen, ließ den Blick über den ganzen Horizont schweifen und machte dann vor einer Art Klappthüre Halt, die durch einen Teppich maskiert war. Diese Klappthür, die sich dadurch in Bewegung setzte, daß man mit dem Fuße gegen eine bestimmte Ecke derselben drückte, gewährte Zutritt zu dem unter dem Fußboden der Cabine befindlichen Laderaume.
    Hier lagen dicht nebeneinander die schon erwähnten drei, mit Eisenreifen verwahrten Fässer. Ueber die Oeffnung gebeugt, starrte der Mann kurze Zeit hinunter, als ob der Anblick der Fässer ihn hypnotisierte. Dann richtete er sich auf und murmelte:
     

    Auf einem Divan ausgestreckt… (S. 8.)
     
    »Nein, nein… kein Zögern! Finde ich kein noch unentdecktes Eiland, wo ich sie unbemerkt verscharren kann, so ist es besser, sie werden ins Meer geworfen!«
    Wieder schloß er die Klappthür, über die sich der Teppich niedersenkte, und dann bestieg er die Cajütentreppe und begab sich nach dem Oberdeck hinaus.
    Es war jetzt Nachmittag um fünf Uhr. Ein Witterungswechsel war nicht eingetreten. Helle rundliche Wölkchen bedeckten den Himmel. Von leichter Brise kaum etwas geneigt, zog das Schiff unter Backbordhalsen dahin und ließ einen seinen Streifen Kielwasser hinter sich, der allmählich mit den niedrigen Wellen verschmolz.
    Seine Excellenz durchlief mit dem Blicke langsam einen Theil des klaren, azurblauen Horizontes. Von dem Platze,
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