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Meister Antifer's wunderbare Abenteuer

Meister Antifer's wunderbare Abenteuer

Titel: Meister Antifer's wunderbare Abenteuer
Autoren: Jules Verne
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ununterbrochenen Schienenweg durch Frankreich und Italien, von Saint-Malo bis Neapel. Auf die Kosten kam es nicht an, da man ja jetzt einige dreißig Millionen einheimsen sollte.
    Am 16. October des Morgens nahmen die Reisenden von Nanon Abschied und benützten den ersten Bahnzug. In Paris, wo sie sich nicht aufhielten, bestiegen sie den Schnellzug nach Lyon, überschritten die französisch-italienische Grenze, sahen nichts von Mailand, von Florenz oder Rom und langten am 20. October in Neapel an. Gildas Tregomain fühlte sich bezüglich des Erfolgs dieses letzten Auszugs ebenso sicher, wie von dem hundertstündigen Schütteln der Bahnzüge abgemattet.
    Am nächsten Morgen schon brachen sie zeitig aus dem »Hôtel Victoria« auf, und Meister Antifer, Gildas Tregomain, Juhel und Enogate belegten sich Plätze auf dem Dampfboote, das zwischen hier und Palermo verkehrt, und kamen nach schöner, eintägiger Fahrt in der Hauptstadt Siciliens an.
    Natürlich war nicht davon die Rede, deren Wunder in Augenschein zu nehmen. Diesmal dachte selbst Gildas Tregomain nicht daran, auch nur eine flüchtige Erinnerung an die letzte Reise mitzunehmen, noch voller Andacht den berühmten sicilianischen Vespern, von denen er gehört hatte, beizuwohnen. Nein, für ihn war Palermo nicht die berühmte Stadt, der sich nacheinander Normannen, Franzosen, Spanier und Engländer bemächtigten, es war weiter nichts als der Abgangspunkt der öffentlichen Fuhrwerke, der gewöhnlichen und der Eilposten, die zweimal wöchentlich in neun Stunden nach Corbeone und ebenfalls zweimal wöchentlich in zwölf Stunden von Corbeone nach Girgenti verkehren.
    Nach Girgenti mußten sich unsre Reisenden aber begeben, denn für hier, im alten Agrigentum an der Südküste der Insel, war das Stelldichein mit dem Banquier Zambuco und dem Notar Ben Omar verabredet.
    Diese Art der Fortbewegung droht freilich zuweilen mit unangenehmen Zwischenfällen. Die Poststraßen sind hier nicht besonders sicher. In Sicilien giebt es noch Räuberhorden und wird es solche stets geben. Sie gedeihen da, wie die Oelbäume und Aloës.
    Die Eilpost ging schon am nächsten Tag ab und die Fahrt verlief ohne Störung. Man erreichte Girgenti am Abend des 23. October, und wenn noch nicht am Ziele, so war man jetzt doch ganz nahe daran….
    Der Banquier und der Notar waren richtig eingetroffen, der eine von Alexandria, der andere von Tunis. O, du unersättlicher Durst nach Gold, was bringst du alles zuwege!
    Beim ersten Zusammentreffen wechselten die beiden Erben keine andern Worte als:
    »Des Eilands sicher, diesmal?
    – Ganz sicher.«
    Doch in wie sarkastischem Tone hatte Meister Antifer geantwortet, und welch’ ironische Flamme leuchtete aus seiner Pupille!
    In Girgenti irgend ein passendes Fahrzeug zu finden, das konnte weder schwierig noch zeitraubend sein. Im Hafen hier fehlt es weder an Fischerbooten, noch an Küstenfahrzeugen – an Balancellen, Tartanen, Feluken, Speronaren oder an sonst einer Art mittelländischer Seefahrzeuge.
    Es handelte sich ja auch nur um einen kurzen Ausflug aufs Meer hinaus, um etwas wie eine Promenade von vierzig Seemeilen nach Westen von der Küste. Bei gutem Winde und wenn man noch am Abend absegelte, mußte man auf dem gesuchten Punkte zeitig genug anlangen, um noch am Vormittage ein Besteck machen zu können.
    Das Schiff wurde gemiethet. Es hieß die »Providenza« und war eine Feluke von dreißig Tonnen, geführt von einem alten Seebär
– Lupus maritimus –
der diese Gegend seit fünfzig Jahren befuhr. Der kannte hier das Wasser! Um zwischen Sicilien bis Malta, oder zwischen Malta und der tunesischen Küste zu segeln, hätte er die Augen zumachen können!
    »Es ist ganz unnütz, ihn hören zu lassen, was wir hier vorhaben, Juhel!«
    Diese Empfehlung des Frachtschiffers erschien Juhel sehr klug und weise.
    Der Führer der Feluke nannte sich Jacobo Grappa. Da den Erben Kamylk-Paschas das Glück einmal lächelte, hätte dieser Jacobo, der zwar nicht französisch sprach, doch hinreichend verstanden, wovon zwischen ihnen etwa die Rede war.
    Und dann, ein weiteres Glück, ein – wie man so sagt – unverschämtes Glück! Jetzt, im October, ganz nahe der schlechten Jahreszeit, war schon zehn gegen eins zu wetten, daß das Wetter ungünstig, das Meer stark bewegt und der Himmel bedeckt wäre. Doch nein! Bei mäßiger Frische und trockner Luft wehte der Wind vom Lande her, und als die »Providenza-unter vollen Segeln abfuhr, lag ein herrlicher Mondschein
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