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Meines Bruders Moerderin

Meines Bruders Moerderin

Titel: Meines Bruders Moerderin
Autoren: Irene Rodrian
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Als die Mutter sich mit Miles Davis und Whisky zudröhnte, und der Vater nur ab und zu vorbeikam, mit Geschenken beladen. Ein Fremder. Ihre Meister und Beschützer waren Polly und Frank gewesen, die großen Brüder.
    Anna konnte besser rennen, Rad fahren, schwimmen, tauchen, surfen und Fußball spielen als alle Jungen in ihrem Alter. Sie akzeptierten sie, sie bewunderten sie. Anna kannte keine Angst.
    Nur die Einsamkeit.
    Sie fuhr unter den Platanen an den Cafés vorbei bis fast hinunter zum Hafen und bog dann beim Oriente nach links ab in die Ferran. Bis zur Plaça de Sant Jaume war es einfacher, zu laufen und den Roller zu tragen. Das Rathaus war bunt beflaggt, überall auf dem Platz standen lange Reihen schwarzer Luxuslimousinen, bewacht von Dutzenden von Polizisten. Anna erkannte Manolo. »Was ist denn hier los?«
    »Hoher Staatsbesuch. Aus der Dominikanischen Republik.«
    Anna rannte über den Platz und fuhr dann in die Avinyó und über die Comtessa hinauf zur Plaça del Regomir. Das letzte Stück ging's bergauf. Eng, düster und kühl zwischen den hohen Häusern. Vor einem vergitterten Eingangstor stand ein Stuhl. Ein Radio, mit Lederstreifen am Stuhlbein festgetackert, und daneben ein räudiger Schäferhund. Manchmal saß auch die alte Concierge da und strickte. Hunde liebten Anna. Der Schäferhund kannte sie. Manchmal brachte sie ihm Fleischreste oder ein Würstchen mit. Doch ais sie jetzt vorbeifuhr, öffnete er ein trübes Auge und knurrte böse.
    Anna zischte, wie es die Kellner in spanischen Bars machen, wenn sie Hunde vertreiben wollen, und fuhr weiter. Sie dachte immer noch an Sergio.
    3
    Die Sonne brannte flach über die Dächer. Fritz the cat sprang vom Nachbarhaus auf die Terrassenmauer, lief über die angeschrägten Tonplatten bis zum großen Oleanderbusch und kratzte sich ein Loch in die Topferde.
    Pia war mit einem Satz bei ihm, packte ihn, bevor er sich hinhocken konnte, und trug ihn zu seiner Katzenkiste hinüber. »Hier ist dein Katzenklo! Lass endlich meine Blumen in Ruhe. Es ist mühsam genug, hier so was wie einen Dachgarten anzulegen.« Fritz verharrte so, wie sie ihn hingesetzt hatte, breitbeinig, unbequem schief, und wartete, dass sie endlich verschwand. Pia blieb stehen. »Ich weiß, dass du auf Blumentöpfe spezialisiert bist. Aber hier nicht, kapiert?« Fritz starrte sie kurz an, schaute dann weg, und machte, bevor er sich zurechtsetzte, ein paar Dehnübungen, damit niemand merkte, dass er nachgab.
    Pia ging in die Küche zurück und füllte Kaffee in die Maschine. Wenn Fritz kam, war Barbara normalerweise nicht mehr weit.
    Manchmal konnte sie es selbst kaum glauben. Noch vor ein paar Monaten war sie inspectora bei der brigada criminal gewesen. Und Barbara eine kleine Taschendiebin, des Doppelmordes verdächtigt und von den Medien bereits abgeurteilt.
    Es läutete. Aber nicht an der Wohnungstür, sondern drüben, bei Llimona 5.
    Pias Vater wurde bei einem Polizeieinsatz getötet, als sie zwölf war. Von seiner Lebensversicherung konnte sie sich später diese Wohnung kaufen, damals ein verrottetes Dachgeschoss, in dem sie sich in monatelanger Arbeit und mit finanzieller Hilfe der Stadt zuerst nur den vorderen Teil herrichtete.
    Es läutete wieder. Anhaltend. Pia ging in den neuen Büroteil. In die Detektei Llimona 5, die sie vor drei Monaten gegründet hatten. Als sie Dagmar kennen lernte. Und Janet. Die dünne, sommersprossige Engländerin, deren sorgfältig recherchierte Gerichts- und Kriminalreportagen ihr schon lange aufgefallen waren. Janet, die sich vor nichts fürchtete und sich nie um die vorherrschende Meinung scherte. Auch nicht, als sie zusammen Barbaras Unschuld nachwiesen und Anna, die von ihren Brüdern verfolgt wurde, fanden und bei sich aufnahmen. Die Zeit seither kam Pia manchmal vor wie eine Ewigkeit. Und dann wieder nur wie ein paar Tage. Immer noch hing der Geruch frischer Farbe in den Räumen, dem Empfangs- und Wartezimmer mit den Rattanmöbeln und dem großen Büro mit Konferenzecke, Rollschränken, Schreibtischen und der supermodernen Multimediaanlage. Und mit einem Safe hinter dem Rififiposter. Wenn Pia hier war, vergaß sie den Schmerz über das abrupte Ende ihrer Karriere bei der Kripo, dann empfand sie nur noch Stolz. Sie öffnete die Tür, als es zum dritten Mal läutete.
    »Na endlich!« Der Mann sprach mit englischem Akzent. Er war etwa dreißig, groß, schlank, dunkel gebräunt. Sein Schädel war glatt rasiert, und er trug eine Sonnenbrille, die bis zu
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