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Meines Bruders Moerderin

Meines Bruders Moerderin

Titel: Meines Bruders Moerderin
Autoren: Irene Rodrian
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hielt voll auf ihn zu, und sprang erst in allerletzter Sekunde zur Seite. Stoppte. Lachte.
    Sie hatte das absolute Superboard.
    »Ich bin Anna. Und wer bist du?«
    Die Frau war ziemlich groß und dünn, trug rote Sneakers zu 7/8 Hosen, und breite Rucksackträger zogen ihr bauchfreies Top glatt. Sie sah geil aus, fast so wie Britney Spears, nur eben mit dunklem Haar. Und so alt war sie doch noch gar nicht. »Leihst du mir mal dein Board?« Er grinste.
    »Ist das dein Name? Leihst du mir mal dein Brot?«
    »Sergio heiße ich. Und ich will nicht dein Brot. Äh ... Er spürte, dass er rot wurde und sprach hastig weiter. »B-o-a-r-d. Dein Kickboard würde ich mir gern mal ausleihen. Okay? Nur für fünf Minuten.«
    »Ach. Brauchst du vielleicht sonst noch was? Ein Pferd? Einen Ferrari? Einen Hubschrauber?«
    »Ich will doch nur einmal damit fahren!«
    »Und das soll ich dir glauben?«
    »Logo!« Sergi legte sich die Hand auf Herz. Aber er machte sich keine ernsthaften Hoffnungen. Sie nahm ihn nicht für voll. Wie alle Erwachsenen. Es war ein Spielchen. Es war vorbei, er wollte sich schon abwenden.
    »Okay.« Anna hielt ihm den Knauf ihres Kickbords hin. Er glaubte ihr nicht. Aber sie nahm seinen Scooter und drückte Sergio stattdessen den silbernen Knauf in die Hand. Er war rund und glatt und warm. Sie sah auf die Uhr. »Eine halbe Stunde. Dann bin ich wieder hier. Und du auch. Ich verlass mich drauf!«
    »Claro, hundertpro!« Er hätte ihr alles versprochen und auch alles gehalten. Er glühte. Er sah ihr nach, wie sie mit seinem Scooter blitzschnell über den Asphalt kurvte, sich an einem weißen Citroën Berlingo vorbeischob und in einer Nebenstraße verschwand.
    Sergi fuhr. Es war dann doch völlig anders, nur mit einer Hand. Zweimal fiel er fast hin und knallte beinahe gegen eine Platane, bis er den Dreh raushatte. Mit der anderen Hand das Gleichgewicht halten wie die Rodeoreiter. Aber dann kurvte er los. Es war wie Fliegen. Nur schöner. Viel schöner.
    Das war Glück.
    2
    Anna hatte mit dem Scooter keine Probleme. Leicht und elegant flitzte sie über die breiten Trottoirs der Mallorca, wich zwei alten Damen aus, bog rechts ab und sprang vor Dagmars Haus ab, ohne zu bremsen. Mit einer Hand riss sie den Scooter hoch, mit der anderen wollte sie läuten. Im gleichen Moment ging die Haustür auf.
    Emilio, Dagmars Nachbar. Verbeulte Jogginghosen und ein uralter Einkaufskorb mit Blümchenrand. »Äh, die Señorita Anna, heute so sportlich ...« Sein Kugelkopf wurde rot, als sich Anna mit ihrem Scooter an ihm vorbeiquetschte und die Treppen hinaufrannte. Ohne sich umzusehen, wusste sie, dass er in der Tür stehen blieb und ihr nachglotzte. Die Zunge tropfnass zwischen den Wulstlippen.
    Dagmar öffnete gleich beim ersten Läuten. »Anna, da bist du ja. Komm rein!« Sie nahm ihr den Scooter ab und umarmte sie. Anna machte sich vorsichtig los und folgte ihr in die Küche. Sie liebte Dagmar, und ihr ganzes Leben lang hatte sie sich nach einer Mutter gesehnt, die sie in den Arm nahm. Aber jetzt, da sie die Zuwendung bekam, konnte sie nicht damit umgehen. »War die Tür unten offen?« Dagmar stellte eine große Sangriakanne mit Zitronenlimonade auf den Tisch.
    »Emilio, dein schlabbriger Nachbar, geht mit Tantchens Einkaufstasche Bier holen.«
    »So schlimm ist er auch wieder nicht. Irgendwie unsicher, noch nicht ganz fertig gebrannt.«
    »Seh ich da dein Rotkreuzmützchen aufleuchten? Willst du ihn etwa fertig brennen? Eigenhändig?« Anna lachte und trank. »Schmeckt super. Hast du nicht Angst, dass er nachts bei dir einbricht und dich abnuckelt?«
    »Angst?« Dagmar grinste. »Im Gegensatz zu dir bin ich ja nicht mehr sweet seventeen. Und Emilio ist ein sehr höflicher junger Mann. Und bald auch noch reich. Wenn das Testament seiner Tante für gültig erklärt wird, dann gehören ihm nicht nur ihr Geld und Schmuck, sondern auch diese ganze Etage. Inklusive meiner Wohnung.«
    »Und?« Anna goss sich nach. Zitronenstücke und Eiswürfel blieben in der Glasnase zurück.
    »Er wird verkaufen, nehme ich an.« Dagmar brachte einen Teller mit kleinen roccas, knusprigen Haselnussbaisers, und setzte sich zu Anna. Sah nicht hoch. »Dann werde ich mir eine andere Wohnung suchen müssen.«
    Anna starrte sie an. Sie kannte Dagmar erst knapp ein Vierteljahr, aber sie konnte sich ein Leben ohne sie nicht mehr vorstellen. Die rundliche und schusselige Dagmar mit ihren uncoolen Klamotten, dem ungebändigten Krusselhaar und dem scharfen
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