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Meineid

Meineid

Titel: Meineid
Autoren: Petra Hammesfahr
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ich hatte ihr bis dahin niemals Veranlassung gegeben, anzunehmen, dass für mich noch eine andere Frau in Frage komme. Und dann passierte es. Es traf mich wie der berüchtigte Blitzschlag aus heiterem Himmel. Das soll keine Entschuldigung sein, ich will mich auch nicht entschuldigen. Es war ein höllischer Nachmittag. Zuerst die Zeremonie in der Kirche, dann die beiden Stunden bei Kaffee und Kuchen in diesem beengten Wohnzimmer. Seltsamerweise fand ich das Zimmer bei Damners entschieden enger als das von Gretas Eltern. Es lag wohl daran, dass Tess den Raum völlig ausfüllte, sodass für andere keine Luft blieb zum Atmen. Sie hatte kaum einen Blick für mich. Zur Begrüßung reichte sie mir nur die Hand und brachte eine Floskel über die Lippen. Natürlich wusste sie von unserer geplanten Hochzeit. Als wir die Kirche verließen, drückte sie kurz ihr Bedauern über das triste Los aus, das Greta bevorstand. Nicht nur Anwältin sein, auch noch mit einem Paragraphenreiter verheiratet! Aber wenn Greta sich davon nicht gestört fühlte. Nach diesem beiläufigen und keineswegs scherzhaft vorgebrachten Kommentar existierte ich für Tess nicht mehr. Sie kannte ihre Wirkung, und ich denke, sie wollte nichts, absolut nichts tun, um ihrer Freundin so kurz vor dem Ziel noch in die Quere zu kommen. Es war wirklich die Hölle. Greta an meiner Seite, neben ihr Tess, und in mir die Gewissheit, dass ich dabei war, den größten Fehler meines Lebens zu begehen. * Einige Wochen quälte ich mich mit dem Bewusstsein, dass Tess die Frau war, von der ich bis dahin nicht einmal hatte träumen können, weil ich nicht gewusst hatte, dass es solch eine Frau gab. Tess war wie einer der exotischen Falter, die mein Großvater mit Hingabe gesammelt und bewundert hatte. Sie war eine Fahrt auf der Achterbahn. Und mir kam nicht der Gedanke, dass man die Falter nur aufgespießt hinter Glas betrachten und nicht ein Leben lang Achterbahn fahren kann. Dass man nach zwei oder drei Fahrten dankbar ist für den festen Boden unter den Füßen. Greta war dieser feste Boden. Bei ihr wusste ich jederzeit, was mich in der nächsten Stunde, den nächsten Tagen und Wochen erwartete. Und plötzlich reichte das nicht mehr. Ich suchte nach Vorwänden, ihr aus dem Weg zu gehen. Sie machte es mir auch noch leicht, war dankbar für die Abende, an denen ich Verzicht übte und sie sich ihren Büchern widmen durfte. Vier Wochen später entschloss ich mich zu einer offenen Aussprache, obwohl ich nicht wusste, wie ich ihr das erklären sollte. Verletzen wollte ich sie auf keinen Fall. Sie sollte unbedingt wissen, dass sie mir immer noch sehr viel bedeutete, dass ich sie eben nur nicht heiraten konnte. Es war ein ekliger Tag, wie geschaffen, das eigene Leben zu zerstören und ein anderes gleich mit. Um halb vier holte ich Greta daheim ab. Sie wollte die Ausstattung für die beiden Bäder aussuchen. Meine Schweigsamkeit während der Fahrt fiel ihr nicht auf. Sie war so sehr mit ihrer Vorstellung von einem märchenhaften Bad beschäftigt, schwärmte mir vor, wie phantastisch alles aussehen sollte. Dann standen wir in diesem Ausstellungsraum. Und sie geriet außer sich beim Anblick von hundertzwanzig verschiedenen Arten von Wasserhähnen. Wie ein Kind vor dem geschmückten Christbaum wirkte sie.
    «Ich darf mir aussuchen, was ich will? Und wenn ich es ausgesucht habe, ziehst du dein Scheckheft aus der Tasche und finanzierst meinen Größenwahnsinn?»
    Sie lachte leise.
    «Noch vier Schritte», sagte sie.
    «Verlobung, Aufgebot, Trauung und dann als Frau Brand in eine Villa.»
    Ich konnte ihr nicht antworten. Sie verstand es falsch, legte mir eine Hand auf den Arm.
    «Es ist nicht so gemeint, wie es klingt, Niklas. Ich kann nur nicht arm sein. Wenn man Geld hat, ist es vielleicht nicht so tragisch, wie eine Kreuzung aus Hamster und Löwe auszusehen. Aber arm, unbedeutend und hässlich ist ein bitteres Schicksal. Da braucht man Luxus um sich herum und einen Menschen an der Seite, der automatisch die Blicke aller anderen auf sich zieht.»

    «Du bist nicht hässlich oder unbedeutend, widersprach ich. Sie zuckte mit den Achseln, zeigte auf eine große runde Wanne und sagte:
    «Die will ich. Darin ist Platz für uns beide. Wir werden Orgien darin feiern. Wir verbringen unsere Hochzeitsnacht nicht im Bett, sondern in dieser Wanne.»
    Es dauerte so lange, bis sie bemerkte, dass etwas nicht stimmte.
    «Hey», sagte sie leise, klang unsicher und verwirrt. Ich hatte sie noch nie zuvor
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