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Meineid

Meineid

Titel: Meineid
Autoren: Petra Hammesfahr
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unsicher und verwirrt erlebt.
    «Was ist los mir dir? Habe ich dich erschreckt? Willst du es lieber spartanisch? Gut, beschränken wir uns für den Anfang auf eine Dusche. Du wirst es bald bereuen. Liebe im Stehen ist anstrengend.»
    Sie versuchte zu lächeln. Es misslang ihr kläglich. Ich denke, sie wusste es, lange bevor ich den Mund aufmachte. Nach einer Ewigkeit nickte sie mehrfach und sagte nur:
    «Tess!»
    Später sagte sie einmal:
    «Ich hatte plötzlich nur noch Luft im Kopf und das dringende Bedürfnis, aufzuwachen. Aber es tat nicht weh. Es war kein Schmerz, kein Zorn, nicht einmal Enttäuschung, nur ein hohles Gefühl im Innern. Ich wollte diese große runde, elegante Badewanne. Ich wollte fünf Zimmer und zwei Bäder im Dachgeschoss einer Villa in Marienburg. Ich wollte an Sonntagnachmittagen im Sommer unter alten Bäumen im Schatten auf dem gepflegten Rasen sitzen und sonst nichts.»
    Und nichts war alles, was sie bekam, weil sie eine Freundin hatte. Ich brachte sie zurück ins Freie. Es regnete und war so windig, dass man keinen Schirm aufspannen konnte. Ich weiß noch, dass ich sie am Arm hielt, als ich sie zurück zum Wagen führte. Ich weiß auch noch, dass sie flüsterte:
    «Lass mich los, Niklas. Ich brauche keinen Halt. Ich bin nur gestürzt, vom Himmel zurück auf die Erde. Kleine Leute fallen häufig auf die Nase, wenn sie den Sprung von ganz unten nach ganz oben ohne Anlauf schaffen wollen. Aber ich kann allein aufstehen.»
    Als wir meinen Wagen erreichten, hob sie das Gesicht in den Regen und betrachtete den Novemberhimmel.
    «Er ist so eng und verschimmelt wie das Badezimmer meiner Eltern», sagte sie.
    «Aber ich lasse das hinter mir. Und eines Tages fahre ich auch einen Mercedes, aber der ist dann von meinem Geld bezahlt.»
    Sie zitterte am ganzen Körper, als sie einstieg.
    «Es tut mir Leid, Greta», sagte ich endlich.
    «Das muss es nicht, erwiderte sie, atmete tief durch und fragte:
    «Hat Tess etwas gesagt oder getan? Ich meine, hat sie dir Veranlassung gegeben oder dir Hoffnungen gemacht?»
    Als ich den Kopf schüttelte, lächelte sie wieder.
    «Das wusste ich. Mach die Tür zu, mir ist kalt.»
    Ich brachte sie zurück nach Ostheim. Mit hinauf in die Wohnung ihrer Eltern ging ich nicht mehr. * Ich ließ ein paar Wochen verstreichen, von Greta sah und hörte ich nichts in dieser Zeit. Und all meine Versuche, mich mit Tess zu verabreden, scheiterten kläglich. Als ich sie das erste Mal anrief, bekam ich nur ihre Schwägerin an den Apparat. Während ich mit Sandra Damner sprach, hörte ich Tess im Hintergrund reden. Sag ihm dies, sag ihm das. Und Sandra richtete mir aus, was Tess verlangte, obwohl ihr die Situation peinlich war. Wie nicht anders zu erwarten, wusste Tess, was geschehen war. Und von mir wollte sie nur eines: Ich sollte Greta um Verzeihung bitten. Ich hätte es tun sollen, aber so weit war ich noch lange nicht. Ich telefonierte mich monatelang quer durch die gesamte Familie Damner. Es gab Tage, da rief ich mehrmals an. Am Vormittag sprach ich mit Joachim, mittags mit Sandra, am Nachmittag mit Herrn Damner und am Abend mit seiner Frau. Mit ihr unterhielt ich mich besonders gut. Es war entwürdigend. Tess war meist in der Nähe und dirigierte die Unterhaltungen, die ich mit ihrer Familie führte. Häufig wurden die Gespräche dann familienintern fortgesetzt, und ich hing nur noch als Zuhörer in der Leitung. Da konnte es geschehen, dass Frau Damner in den Hintergrund sagte:
    «Nun sprich doch einmal selbst mit ihm. Er ist so ein netter, kultivierter Mensch.»
    Nur fühlte ich mich in solch einem Moment weder nett noch kultiviert. Ich fühlte mich wie ein Trottel, wenn Frau Damner für mich verhandelte:
    «Du kannst doch wenigstens einmal mit ihm ausgehen, Tess.»

    «Sag mal, spinnst du, Mama?, kam es aus dem Hintergrund.
    «Hast du eine Ahnung, was ich Greta damit antue?»

    «Aber Greta will ihn doch nicht mehr. Das hat sie gesagt.»

    «Ich weiß, was Greta gesagt hat, Mama. Greta versucht, sich und aller Welt einzureden, sie hätte nicht ihn geliebt, nur das Prestige, das Haus seiner Eltern, die Kanzlei seines Vaters, den Namen Brand und die Möglichkeiten, die sich damit verbinden. Mit Liebe hätte das nicht viel zu tun gehabt.»

    «Ja, aber wenn Greta es so sieht», sagte Frau Damner hilflos. Und irgendwo hinter ihr sagte Tess:
    «Dir ist wirklich nicht zu helfen, Mama.»
    Und Greta wollte keine Hilfe, keine Entschuldigung, keine Erklärung, nur ihre Ruhe. Ich traf
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