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Meine Wut rettet mich

Meine Wut rettet mich

Titel: Meine Wut rettet mich
Autoren: Marlis Prinzing
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auch die anderen Geschichten. Manche brechen ab, lernen nicht, fallen in alte Verhaltensmuster zurück, geben kurz vor dem Ziel auf. Für die Nonne, die bei »ihren« Frauen auch »Mama Lea« oder »Schwester Courage« heißt, ist das kein Grund zu resignieren. Wieso auch, findet sie: »Ich hatte viele Chancen und nutzte etliche überhaupt nicht. Diese Frauen haben oft nur eine Chance, keiner kann erwarten, dass sie diese bedingungslos ergreifen.«
    Weit schwerer zu ertragen ist für sie zuweilen das Ausmaß des Elends, das sie sieht. Die Kraft, daran nicht zu verzweifeln, gaben ihr Menschen, die durch Lauterkeit überzeugten. Sie nennt vor allem den Pater und Professor Fritz Köster. Er arbeitete ebenfalls in Afrika und für Missio, mit ihm lebt sie in Boppard-Hirzenach in einem Pfarrhaus, das in einer barocken Propstei, einem früheren Männerkloster, untergebracht ist. Köster zog 1988 hierher, weil ihn sein Orden an die nahe theologische Hochschule in Vallendar berufen hatte, und Schwester Lea war dankbar, dass im Pfarrhaus noch Platz war für sie und ihre Solwodi-Frauen. Raum, den Köster ihr gerne anbot. Die beiden Ordensleute hatten sich 1974 beim Studium in München kennengelernt. In dem beschaulichen 300-Seelen-Weindorf Hirzenach, mitten im zum Weltkulturerbe erklärten Mittleren Rheintal, wurden der Mönch und die Nonne dann sozusagen soziale Eltern. Sie zogen zwei, zeitweise vier Kinder von in Notlagen geratenen Müttern auf. »Fritz predigt den Glauben nicht, er lebt ihn«, sagt Lea Ackermann. Sie orientiere sich an dieser Haltung. So gelang ihr, dass es sie nicht lähmte, wenn Menschenhändler und Diktatoren ihr drohten. Genau diese Risikobereitschaft rühmt Köster an ihr. Was Schwester Lea mit Solwodi geschafft habe, sei Beispiel für einen Satz der ehemaligen polnischen Premierministerin Hanna Suchocka: »In schwierigen Lagen soll man keine Sündenböcke suchen, sondern Auswege.« Lea Ackermanns Trumpf ist ein Wesenszug, den sie früher mal mehr, mal weniger an sich mochte. Sie hat ihn zu einer Tugend gemacht: Wut.
    Als Mädchen und junge Frau ließ sie sich mitunter übermannen von Wut: Wenn einer beim Spielen mogelte oder Jungs sie ausschlossen oder der Pfarrer ihrer Meinung nach Jesus nicht beim Wort nahm oder wenn die Kusine, die sich reich verheiratet hatte, mit Opfergeld knauserte, obwohl das für hungernde Kinder gedacht war, dann wurde sie fast zur Furie. Auch deshalb nannte der Vater sie »Hexen-Bärbel«. Längst lässt sie sich von ihrer Wut nicht mehr beherrschen, sondern sie beherrscht sie. Mehr noch: »Meine Wut rettet mich«, sagt Schwester Lea. »Und ich bete: ›Lieber Gott, ich kümmere mich um Deine Leute, lass Du mich dabei nun nicht im Stich.‹« Gerade, wenn es besonders schlimm ist. »Ich denk mir: Um Himmels willen, Lea, das kann nicht sein, das darf nicht sein, da kann ich nicht wegschauen.«

GESPRÄCH
    »Was die katholische Kirche mit den Frauen macht, ist Diskriminierung.«

    Isa Steinhäuser, Simmern
    Ihr Frauen! Sexismus liegt in der Luft. Wir wollen uns vereinigen und das tun, von dem viele denken, wir könnten es nicht schaffen. Ich sage euch: Wir können es schaffen! b
    Aus einem Gedicht von Rosbella, einer Mitarbeiterin von Schwester Lea 18

    Sie sind Schwester des Missionsordens »Unserer lieben Frau von Afrika«. Mission bedeutet Sendung und Verbreitung des christlichen Glaubens. Das haben Sie hier, im Pfarrhaus in Boppard-Hirzenach in ungewöhnlicher Weise betrieben, indem Sie gemeinsam mit dem Pallotiner-Pater Fritz Köster 19 , zwei Kinder großgezogen haben, fast wie eigene: einen Jungen und ein Mädchen.
    Zunächst waren es sogar vier Kinder, zwei sind mit ihren Müttern weitergezogen, zwei sind geblieben. Ihre Mütter waren auch in der Nähe. Eine arbeitete als Köchin, die andere als Serviererin, sie konnten beide abends nicht zu Hause bleiben. Die Kinder, Anna und Peter, sind beide heute 22 Jahre alt. 20
    Wie haben Sie den Glauben an die Kinder weitergegeben?
    Mir war wichtig, den Kindern zu sagen: »Ihr seid wertvoll. Ihr seid Geschöpfe Gottes. Und ihr habt Kräfte und Fähigkeiten.«
    „ Mir war wichtig, den Kindern zu sagen: Ihr seid wertvoll. Ihr seid Geschöpfe Gottes. Und ihr habt Kräfte und Fähigkeiten. ”
    Und wie haben Sie die Kinder an die Kirche herangeführt?
    Wir haben ihnen den Glauben vorgelebt. Wir haben beim Frühstück, beim Mittagessen und beim Abendessen gebetet, und wenn die Kinder ins Bett gingen, gab es dazu noch eine
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