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Meine Wut rettet mich

Meine Wut rettet mich

Titel: Meine Wut rettet mich
Autoren: Marlis Prinzing
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sagt er wieder, er wolle nicht mehr in die Kirche gehen.
    Macht er das an einem Anlass fest?
    Ich glaube eher, dass er sich sagt: Ich glaube das nicht. Aber die Wertehaltung hat er genauso verinnerlicht wie die Anna.
    Inwiefern sorgte Peters Abwenden zu Hause im Pfarrhaus für Auseinandersetzungen?
    Gar nicht, schimpfen bringt da nichts. Pater Köster hat ihm aber das Versprechen abgenommen, auf der Suche zu bleiben. Auch wenn er jetzt sage, er glaube nicht mehr, so ändere sich doch im Leben vieles und man gewinne neue Einsichten. Deshalb solle er unbedingt offen, also suchend, bleiben.
    Und wie war das für Sie?
    Ich habe ein unverkrampftes Verhältnis zum Glauben. Ich bin überzeugt, dass Gott seinen Part spielt und dass der Mensch auf ihn hin geschaffen ist und seinen Weg findet. Es genügt, dem, was geschehen mag, offen gegenüber zu bleiben und wach.
    Diese Haltung verblüfft, weil Sie bereits 1960 einem Missionsorden beitraten, in einer Zeit, in der die katholische Kirche Mission unter den Imperativ implantatio ecclesiae stellte. Das hieß, in aller Welt die katholische Liturgie und Theologie und christliche Tradition zu verbreiten; außerhalb dieser Kirche gab es keine Erlösung, keine Moral und keine nachhaltige Lebensqualität.
    Ja, das war die offizielle Auffassung, die aber nicht meiner Überzeugung und nicht meiner Erfahrung entsprach. Ich trat dem Orden bei, weil ich dorthin wollte, wo die Menschen offen sind für das Wort Jesu, weg von den Pseudo-Christen, die es in Deutschland so oft gibt. Afrika schien mir das geeignete Land. Und ich wusste, dorthin würde ich durch diesen Orden sicher kommen.
    Das Zweite Vatikanische Konzil 22 brachte eine entscheidende Wende. Die Bischöfe stellten fest, dass Gottes Schöpfung gegenwärtig ist in allen Menschen und Religionen. Was heißt das für die Mission?
    Wenn alles Gottes Schöpfung ist, dann muss Mission im Zeichen des Dialogs stehen. Wenn Gott allen Menschen das Leben schenkt, heißt dies, dass er allen Werte und Fähigkeiten gab, erlöst zu werden. Der Sinn von Mission liegt also darin, Menschen verschiedener Kulturen und Religionen diese Werte zu zeigen und sie mit dem Wort Jesu zu verbinden. Das hat nichts mehr mit christlicher Indoktrination zu tun, sondern trägt zu Gerechtigkeit und Frieden zwischen den Menschen bei. Ich habe das zum ersten Mal beobachtet auf den Philippinen und ebenso in Afrika.
    Nennen Sie bitte ein Beispiel.
    Ordensleute gründeten auf den Philippinen die ersten Hochschulen und unterrichteten die Reichen. Viele Ordensschwestern dort waren Studienrätinnen. Die Idee war: Wenn die Reichen in der Idee des Evangeliums erzogen werden, schaffen sie eine sozialere Gesellschaftsordnung. Doch das war eine Täuschung. Die Zahl der Armen wuchs, Reiche wurden superreich. In den Ordensgemeinschaften wuchs bei manchen die Überzeugung, dass es Zeit sei für die Kehrtwende. Und dann gibt es immer Stifterpersönlichkeiten, die ihrer Zeit voraus sind und die Dinge in die Hand nehmen. Der Karmeliter-Bischof Labayen 23 war so ein Mensch. Ihm ist zu verdanken, dass acht Karmeliterinnen mitten unter die Armen zogen.
    Eigentlich sind Karmeliterinnen kontemplativ in ihrem Kloster lebende Schwestern …
    Der Karmeliter-Bischof Labayen bot den acht Karmeliter-Schwestern in Manila an, ihnen ein neues Kloster zu bauen, in Infanta, inmitten von Fischern, Bauern, Arbeitern und ihren Familien. Er stellte eine Bedingung: Sie mussten vier Wochen in einer christlichen Familie leben, um ein Bild davon zu gewinnen, wie hart der Alltag dieser Menschen war. Eine Schwester erzählte mir von einem armen Bauern mit acht Kindern, der seine Familie durch das ernährte, was er auf einem kleinen Stück Land anbaute. Genau diesen Zipfel wollte ein reicher Bauer auch noch haben und tat alles, um den Armen von seinem Land zu verjagen. Diese Ungerechtigkeit habe sie richtig rebellisch gemacht. Man muss sich vorstellen: Das sagte eine Nonne, die vorher vor allem gebetet und zurückgezogen gelebt hat. Die anderen erzählten ähnliche Geschichten. Vor ihrem neuen Kloster in Infanta haben sie auf einen Baumstamm die Worte »Dedicated to the dreams of our Father (Mother)« geschrieben. Was hat mich das begeistert! Und motiviert. So verstehe ich das Evangelium und die Mission: Gott als Vater und Mutter aller Menschen, ist Mensch geworden, um uns zu zeigen, wie wir gute Menschen sein und seine Träume wahr machen können. Ähnlich wie sich Eltern für ihre Kinder Gesundheit und Glück
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