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Meine Wut ist jung

Meine Wut ist jung

Titel: Meine Wut ist jung
Autoren: Gerhart Baum
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War dieser Kampf auch ein Ansporn?
    Widerstände waren immer eine Herausforderung. Ich hatte keine Scheu, Minderheitspositionen zu vertreten und mitunter zu unterliegen. Die liberale Partei, meine Partei, ist immer eine Minderheit in dieser Gesellschaft gewesen. Meine Freunde und ich waren in dieser Minderheit wiederum eine Minderheit - oft allerdings Vertreter eines starken, gestaltungsfähigen Teils der Partei. Widerstand zu überwinden, war für mich immer ein Antriebselement - das stimmt. Meine Handlungsweise ist grundsätzlich spontan, nur auf das Ziel gerichtet, ohne die Widerstände zu beachten. Im Zuge der oft heftigen Diskurse, die ich dadurch ausgelöst habe, gelang es aber nicht selten, eine befriedigende Lösung herauszuarbeiten. Die Utopie des Optimalen - und ich bin der Meinung, dass Politik unbedingt Utopien braucht - war oft unerfüllbar. Ich habe mich stets von der Sicht Karl Poppers leiten lassen: Das Ziel ist ein auf Kompromiss beruhendes Fertigwerden mit dem Leben; die Neigung der Deutschen zu romantisch-irrationalen Positionen war mir immer fremd.
    Worin sehen Sie eigentlich Ihre Beiträge als Politiker und Jurist für die politische und gesellschaftliche Entwicklung dieses Landes?
    Ich wollte das Grundgesetz leben, das vom sittlichen Prinzip der Menschenwürde geprägt ist - zum ersten Mal in der deutschen Verfassungsgeschichte. Ich wollte auf allen Feldern, die zu beackern waren, meinen Beitrag leisten - nicht nur in der Innen- und Rechtspolitik, in der Menschenrechtspolitik, sondern auch, was die anderen Aufträge des Grundgesetzes angeht, die noch nicht verwirklicht oder immer wieder gefährdet sind. Zum Beispiel das Sozialstaatsprinzip oder die Gleichberechtigung der Frau. Ich wollte in dieser Gesellschaft gegen die Nachwirkungen der Nazi-Barbarei kämpfen. Man könnte fragen: Warum die FDP? Aber ich sah gerade in der FDP eine Chance, diese Ziele zu verfolgen. Ich hoffe, dass ich kraft der unterschiedlichen Ämter und Positionen zu diesen Zielen einen Beitrag geleistet habe. Heute versuche ich es als Bürger.
    Sie wollten nicht nur das Grundgesetz beatmen. Sie waren auch immer wieder ein Verteidiger des Grundgesetzes.
    Verteidiger ja, aber man muss das Grundgesetz auch mit Leben erfüllen. Wenn ich zurückblicke, muss ich sagen: Ich war immer durch und durch Politiker. Wenn Sie so wollen, ein political animal . Bei fast allem, was ich im Leben getan habe - auch in meinem Anwaltsbereich -, spielte Politik eine Rolle. Etwa, wenn ich noch heute für einen besseren Opfer- und Verbraucherschutz eintrete. Ich habe immer einen politischen Faden verfolgt, bei allem, was ich tat. Angetrieben von dem Wunsch, unabhängig und frei zu sein, herausgefordert zu sein durch neue Entwicklungen. Ich war und bin neugierig auf alles Neue. Die Umweltbewegung damals war wichtig wie es heute die IT-Revolution ist. Was sich an neuen Herausforderungen entwickelt, die Globalisierung zum Beispiel, habe ich mit größter Neugier wahrgenommen und versucht, politische Schlussfolgerungen zu ziehen. Es kam mir darauf an, nicht bei Analysen stehen zu bleiben, sondern zu praktischen Entscheidungen zu kommen.
    Gab es für Sie einmal eine Krise, in der Sie an Ihrem Lebensweg zweifelten, Ihren politischen Überzeugungen und Ihrer Gestaltungskraft?
    Es gab verschiedene Phasen meines politischen Lebensweges. Eine Vorbereitungsphase u.a. in den liberalen Jugendverbänden, eine kommunalpolitische Phase in Köln. Dann kam 1972 das Bundestagsmandat verbunden mit meiner Aufgabe als Parlamentarischer Staatssekretär im Innenministerium, dann die Ministerzeit und später wieder die Zeit als Bundestagsabgeordneter. Und die dritte Phase ist schließlich heute die - wenn Sie so wollen - des »freischaffenden« Liberalen. Natürlich gab es immer wieder auch Rückschläge. Die stärkste Versuchung zu resignieren, war verbunden mit dem Koalitionswechsel von Schmidt zu Kohl 1982. Diesen hatte ich ja aus Überzeugung nicht mitgemacht, weil er die Glaubwürdigkeit von Politik schwer verletzt hatte. Damals fragte ich mich: Gehst du zu einer anderen Partei, verlässt du die Politik oder machst du weiter? Gegen den politischen Rückzug stand der intensive Wunsch zu kämpfen. Ich wollte die Partei den anderen nicht überlassen und habe gekämpft - so gut es ging, noch eine ganze Reihe von Jahren. Als das Ende meiner politischen Karriere sichtbar wurde, habe ich mich mehr und mehr auf meinen Anwaltsberuf besonnen. Daneben habe ich zahlreiche
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