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Meine Wut ist jung

Meine Wut ist jung

Titel: Meine Wut ist jung
Autoren: Gerhart Baum
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sponsorenfreundliches Steuerrecht. Das heißt, der Staat verzichtet auf Steuern, was eine indirekte staatliche Subvention ist. Diese bleibt in der Summe aber weit hinter dem Aufkommen unserer Kulturförderung zurück.
    Zum andern ist das amerikanische Kulturleben, das weitgehend auf Sponsorenleistungen angewiesen und somit auch dem inhaltlichen Einfluss der Geldgeber ausgeliefert ist, in seiner Fülle und Qualität nicht annähernd mit dem unsrigen zu vergleichen. Wir vertrauen die Verwaltung der öffentlichen Kulturmittel Fachleuten an und erreichen damit ein Niveau, um das uns andere Länder beneiden. Insbesondere in den neuen experimentellen Künsten, die nicht unbedingt ein großes Publikum anziehen und schon gar nicht Sponsoren, hat Deutschland infolge seines staatlichen Fördersystems häufig die Nase vorn. Fördern, was es schwer hat - das ist unsere Haltung. Viele heute weltberühmte amerikanische Künstler sind nach Deutschland gekommen, um sich hier zu entfalten - beispielsweise John Cage, dessen Werke anlässlich seines 100. Geburtstages in diesem Jahr in allen großen Städten in Deutschland aufgeführt werden.
    Sie haben es bereits erwähnt, in der Zeit, in der Sie Regierungsverantwortung hatten, gehörte die Kultur noch zum Aufgabenbereich des Innenministeriums. Erst während der Kanzlerschaft von Gerhard Schröder wurde mit dem Staatsminister für Kultur ein eigenes Ressort geschaffen. Warum hat Schröder das gemacht? Meinte er, der Innenminister brauche Entlastung seines breit gestreuten Arbeitsfeldes?
    Ich war als Innenminister sehr gerne auch Kulturminister. Für mich war die Kultur ein wichtiges Aufgabenfeld, dem ich mich intensiv gewidmet habe, übrigens mit sehr fähigen und kreativen Ministerialbeamten. Sie halfen mir, in den komplizierten Strukturen des Bundeshaushalts die Kulturförderung auszubauen. Wir konnten eine Menge bewegen - meine Vorgänger Hans-Dietrich Genscher und Werner Maihofer genauso wie ich. Ich nenne als Beispiele den Ausbau der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, die Gründung der Künstlersozialversicherungskasse, die Gründung der Fonds, die aus den Mitteln der gescheiterten Nationalstiftung ins Leben gerufen wurden. Auch haben wir damals den Deutschen Kulturrat des Bundes initiiert, einen Zusammenschluss der Kulturverbände des Landes zu einem Dachverband. Auf diese Weise bekamen wir nun für die Kulturbelange in Deutschland einen Partner, der vergleichbar ist mit dem Deutschen Sportbund für den Sport. Es wäre noch vieles zu nennen, unter anderem die Bundeskunsthalle in Bonn. Ganz wichtig waren die ersten Untersuchungen zur Lage der Künstler und Künstlerinnen in unserem Land.
    Alles in allem: Das Kulturbewusstsein konnte gestärkt werden, auch in der Politik. Dass die Kultur später zu einem eigenen Ressort im Bundeskanzleramt wurde, mit einer Person an der Spitze, die ausschließlich politische Verantwortung für den Bereich Kultur hat, war eine konsequente Fortentwicklung. Die Kultur hat heute dadurch auch auf Bundesebene ein »Gesicht«. Alle Kulturminister, die wir bisher hatten, haben positive Spuren hinterlassen, sodass ich diese organisatorische Veränderung durchaus als förderlich für die Kultur einschätze.
    Ein wichtiger und teurer Punkt war stets die Filmförderung. An die 100 Millionen Euro Bundesmittel gehen heute in den Bereich Film.
    Filmförderung gibt es seit Langem und ist in der Tat ein sehr wichtiger Schwerpunkt. Man muss hier unterscheiden zwischen kultureller und wirtschaftlicher Filmförderung. Damals lag die Verantwortung für die kulturelle Förderung des Films im Innenministerium. Sie hat dazu beigetragen, dass insbesondere in den 1960er- und 1970er-Jahren eine bemerkenswerte Entwicklung des neuen deutschen Films stattfand. Ich nenne nur Namen wie Fassbinder, Schlöndorff, Kluge und viele andere. Ich habe als Minister diese neue Filmszene sehr gepflegt, aber auch versucht, das Spannungsverhältnis zum »alten«, rein kommerziellen Film auszugleichen, was schließlich auch gelang - die Autorenfilmer haben sich mit den Altfilmern verständigt.
    Mir war immer wichtig, auf den Sachverstand von Fachleuten zu setzen, und ich habe den Menschen vertraut, die sich in der Szene auskannten. Dazu ein Beispiel: Kurz bevor ich 1982 mein Amt als Bundesinnenminister aufgeben musste, hatte ich die Entscheidung einer Jury gebilligt, die dem Film »Das Gespenst« von Herbert Achternbusch einen Bundesfilmpreis zugesprochen hatte. Ein sehr provozierender, von
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