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Meine Wut ist jung

Meine Wut ist jung

Titel: Meine Wut ist jung
Autoren: Gerhart Baum
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weltweit. Allerdings ist Sparen wieder einmal das große Thema. Viele möchten auch den Kulturkuchen knacken. Von allem zu viel und immer das Gleiche - das behaupten Kritiker, wie das Autorenteam des zurzeit heiß diskutierten Buches »Der Kulturinfarkt«.
    In dieser Kritik steckt eine große Portion Ignoranz, ja, auch Kulturverachtung. Ich respektiere jede künstlerische Leistung und freue mich über jede Aufführung, jeden Film, jedes Buch, das bestimmten Qualitätsmaßstäben gerecht wird. Man kann hier nicht nach der Art von Unternehmensberatungsgesellschaften sagen: Das ist überflüssig und das andere behalten wir. Diese ganze Diskussion ärgert mich zutiefst. Wir führen sie seit vielen Jahren, und immer wieder wird die Frage gestellt: Haben wir denn nicht zu viel? Ja, was soll denn weg? Welcher Künstler ist überflüssig? Welches Theater soll geschlossen werden? Warum sind wir nicht stolz auf den seit vielen Jahrhunderten gewachsenen Reichtum an Kultureinrichtungen? Zum Beispiel Nordrhein-Westfalen: über 20 Orchester, eine Vielzahl von Bühnen und Museen, dazu Hunderte von freien Initiativen in allen künstlerischen Bereichen - eine dichte, reiche Kulturlandschaft wie es sie in der ganzen Welt nicht noch einmal gibt, in der sich aber die ganze Welt trifft. Also keineswegs »zu viel« und keineswegs »immer das Gleiche«, wie die Kritiker uns suggerieren wollen.
    Wir erleben zurzeit eine schleichende Erosion kultureller Substanz in den hoch verschuldeten Städten. Natürlich kann auch die Kultur sich Sparzwängen nicht völlig entziehen. Eine schwierige Diskussion, aber sie muss geführt werden. Aber bitte mit tiefem Respekt vor allen kulturellen Leistungen. Und eines dürfen wir nicht vergessen: Am Staatshaushalt und auch am Gemeindehaushalt haben die kulturellen Ausgaben einen ganz geringen Anteil. In Köln sind es gerade mal drei bis vier Prozent. Wer glaubt, die Finanzen einer Gemeinde in Ordnung zu bringen, indem man am Opernhaus spart oder an der freien Musikszene, der irrt und ist auf dem Holzweg. Wir müssen den Mut zur Kulturförderung behalten und dürfen uns durch solch abwegige Thesen, wie sie jetzt etwa in dem erwähnten Buch vertreten werden, nicht beirren lassen. Diese und ähnliche Scheinargumente wurden immer schon von denen in den Parlamenten vertreten, die für Kulturförderung kein Verständnis haben.
    Kultur ist in Deutschland vor allem Aufgabe der Kommunen und der Länder. Wo lagen und liegen auch heute noch die Zuständigkeiten einer Bundeskultur? Kommt man sich da nicht gegenseitig ins Gehege?
    Alles muss sich ergänzen. Die Hauptlast der Kulturförderung liegt grundsätzlich bei den Kommunen, in Nordrhein-Westfalen haben sie beispielsweise einen außergewöhnlich hohen Anteil von etwa 80 Prozent. Die Länder haben eher übergreifende Aufgaben und der Bund auch. Die früheren Schlachten der Länder um die Bewahrung ihrer verfassungsrechtlichen Kulturhoheit sind Geschichte. Heute ist Vernunft eingetreten. Land und Bund stimmen ihre Maßnahmen gegenseitig ab. Der Bund fördert nationale »Leuchttürme« der Kultur - zum Beispiel Bayreuth, aber auch die Tage für Neue Musik in Donaueschingen, weil es das wichtigste Uraufführungsfestival in Deutschland ist.
    Relativ neu ist die Kulturstiftung des Bundes, die in den zehn Jahren ihres Bestehens viele wichtige Projekte auf den Weg gebracht hat und damit bundesweit Zeichen setzt. Zögernd hat der Bund das Politikfeld Kultur entdeckt. In den 1970er-Jahren haben wir erste wichtige Schritte zur gesamtstaatlichen Verantwortung für die Kultur unternommen. Wir, das waren die Innenminister, die ja auch Kulturminister waren, und vor allem der Deutsche Bundestag. Wir wollten sichtbar machen, dass der Bund nicht nur originäre Zuständigkeiten für die Kultur hat, wie Sozialversicherungsrecht, Urheberrecht, Steuerrecht, Europarecht, sondern dass er auch eine Führungsrolle im kulturpolitischen Diskurs übernehmen muss. Es gab zum ersten Mal kulturpolitische Grundsatzdebatten im Bundestag. In meiner Partei war ich verantwortlich für ein Kulturprogramm, das auch auf zwei Parteitagen beraten wurde. Das kulturpolitische Bewusstsein konnte auf diese Weise verstärkt werden.
    Könnten wir nicht die gesamte Kulturfinanzierung potenziellen Sponsoren schmackhaft machen?
    Das wird uns immer wieder suggeriert. Gern wird dabei auf die Situation beispielsweise in den USA hingewiesen, man verkennt aber die Tatsachen. Zum einen gibt es in den USA ein sehr
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