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Meine total wahren und ueberhaupt nicht peinlichen Memoiren mit genau elfeinhalb

Titel: Meine total wahren und ueberhaupt nicht peinlichen Memoiren mit genau elfeinhalb
Autoren: Friedrich Ani
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dem?«, fragte Vitali.
    »Mir ist schlecht«, sagte ich.
    »Du siehst aus wie einer, der gleich umkippt.«
    Das wäre gar nicht schlecht gewesen: weil ich eh schon die ganze Zeit im Kopfstand rumlief.

Zwölf
    Immer noch Mittwoch
    An der Rezeption dürfen sie niemandem verraten, wer in welchem Zimmer wohnt. Vitali behauptet immer, dass sie nicht mal dem Sohn des Papstes am Telefon sagen würden, in welcher Suite sein Vater abgestiegen ist und mit wem. Keine Ahnung, wieso Vitali jedes Mal wie blöd lacht, wenn er das erzählt.
    Auch Iris, die für das Spa zuständig ist, darf niemandem was sagen.
    Außer mir.
    Sie weiß, dass ich kein Geheimnisverräter bin. Und ich hatte auch noch nie vor, in ein Zimmer einzubrechen oder Gäste zu ärgern. Ich laufe nur gern in den zweiundzwanzig Stockwerken rum und horche an den Türen. Wenn ich was höre, von dem ich glaube, dass ich es nicht hören soll, laufe ich weiter. Das ist die Wahrheit.
    »Warum willst du das denn wissen?«, fragte Iris und faltete die frischen Handtücher zusammen, die sie für die Badegäste auf die Theke legte.
    »Ich muss«, sagte ich.
    »Geht’s dir nicht gut, Simon?«
    »Doch.«
    »Du siehst kalkweiß aus. Und du zitterst.«
    »Ich zitter nicht.«
    »Bist du krank? Hast du dich gestern erkältet?«
    So viele Fragen stellte sie sonst nie. Ich wollte sie nicht auch noch anlügen wie meine Ma.
    Meiner Ma hatte ich am Telefon gesagt, ich könne leider nicht ins Hotel kommen und mit ihr Opa Ferdi besuchen, mir sei schlecht und schwindlig, und ich müsse mich ins Bett legen. Sie fragte, ob sie mit mir zum Arzt gehen soll. Ich meinte, so schlimm ist es nicht, ich würde einfach schlafen. Ob ich in der Schule was Falsches gegessen hätte, wollte sie wissen, und ich sagte: »Eine Leberkässemmel, die hat irgendwie komisch geschmeckt.« Das war gelogen. Und meine Ma sagte auch gleich: »Du magst doch gar keine Leberkässemmeln.« Und ich erklärte ihr, dass ich so großen Hunger gehabt hätte.
    Normalerweise bin ich kein Lügner. Jedenfalls kein wirklicher Lügner. Wenn ich lüge, dann nur aus Notwehr. Oder weil die Frage irgendwie falsch ist.
    Nach dem Krankenhaus, sagte meine Ma, würde sie nach Hause kommen und mir einen Kräutertee kochen.
    Also musste ich mich beeilen. Aber Iris hörte nicht auf zu fragen.
    »Was willst du denn von dem Mädchen?«
    »Nichts.«
    »Gefällt sie dir?«
    »Nein.«
    »Weißt du noch, wie sie heißt?«
    »Weiß ich nicht mehr.«
    »Sie heißt Annalena. Und ihre Freundin heißt Jil.«
    »Jil? So ein blöder Name.«
    »Wie Jil Sander. Weißt du, wer Jil Sander ist?«
    »Weißt du die Zimmernummer oder nicht?« Ich fing schon wieder an zu frieren. Jedes Mal, wenn ich zum Becken schaute, sah ich im Wasser eine gelbe Gestalt.
    Da war aber keine gelbe Gestalt, sondern eine alte Frau, die beim Schwimmen so keuchte, als müsste sie Berge von Schnee aus dem Weg räumen.
    Iris beugte sich zu mir herunter. Den Namen des Öls, das sie immer auf ihre Haut schmiert, konnte ich mir noch nie merken.
    »2109«, flüsterte sie.
    Weil ich nicht in ihr Gesicht, sondern ihr woanders hingeschaut hatte, hatte ich die Nummer nicht genau verstanden. »2009?«, sagte ich.
    »2109.«
    »2109«, wiederholte ich.
    »Und was machst du jetzt?«
    »Nichts Bestimmtes. Danke.«
    Als ich losrannte, rief sie mir hinterher: »Pass auf die Tür auf!«
    So schnell ich konnte, sauste ich am Eingang zu den Hofbräustubenvorbei. Wenn Vitalis Mutter mich erwischte, müsste ich meiner Ma alles beichten. Das wäre schlimm, weil sie dann wusste, dass ich nicht an Opa Ferdi dachte. Schon wieder hatte ich nicht an ihn gedacht. Das war gemein von mir. Aber als ich auf den goldenen Knopf neben den Aufzügen drückte, hatte ich Opa Ferdi schon wieder vergessen.
    In den oberen vier Stockwerken wohnen die Gäste, die in die Towers Lounge dürfen. Dort können sie kostenlos frühstücken und den ganzen Tag Chips essen und Zeitung lesen und fernsehen und aus dem Panoramafenster über die Stadt schauen.
    2109. Das ist links von den Aufzügen, ziemlich weit am Ende des Flurs. Um dahin zu kommen, musste ich zuerst in den zweiundzwanzigsten Stock fahren. Der einundzwanzigste ist durch eine gläserne Schiebetür abgesichert, die kann man nur mit der Zimmerkarte öffnen.
    Auf der einundzwanzigsten, zwanzigsten und neunzehnten Etage wohnen manchmal Politiker oder wichtige Araber.
    Vom zweiundzwanzigsten Stock fuhr ich mit einem anderen Lift, den normalerweise nur die Angestellten
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