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Meine total wahren und ueberhaupt nicht peinlichen Memoiren mit genau elfeinhalb

Titel: Meine total wahren und ueberhaupt nicht peinlichen Memoiren mit genau elfeinhalb
Autoren: Friedrich Ani
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benutzen, einen Stock tiefer.
    Ich kenne mich aus. Seit ich auf der Welt bin, arbeitet meine Mutter als Köchin im Sheraton Grand Hotel. Besser als ich weiß niemand, wo welche Türen und Treppen und was die kürzesten Verbindungen sind.
    2109.
    Links von den Aufzügen. Ich konnte mich hinschleichen, horchen, und irgendwas würde passieren. Und wenn nichts passierte, würde ich morgen vor der Schule wiederkommen. Morgen war Donnerstag, in der ersten Stunde hatten wir Sport, das war total unwichtig.
    Als der Lift anhielt, schlug mein Herz. Es hallte fast wider in dem engen Lift.
    Die Tür ging auf.
    Und mein Herz und ich polterten hinaus.
    Nach links. Rechts ist die gläserne Schiebetür zu den normalen Aufzügen. Ich kannte mich aus.
    Keine Ahnung, wieso ich vergessen hatte, dass man auf den Eingang zur Towers Lounge zuläuft, wenn man von der Tür des Personalaufzugs um die Ecke biegt.
    Direkt drauf zu läuft man da.
    Ich stieg also aus dem Lift, bog um die Ecke, ging den Flur nach links und schaute auf die Zimmernummern.
    Da stand das Mädchen in der Tür der Towers Lounge. Annalena.
    In einem grünen Kleid mit einer roten Schirmmütze. Mein Herz schlug bis zu ihr rüber und an ihr vorbei bis ans Panoramafenster und durch das Panoramafenster durch und über die ganze Stadt.
    »Hey!«, rief sie.
    Sie hatte Hey gerufen.
    »Wo kommst du denn her?«, sagte sie.
    Sie hatte »Wo kommst du denn her?« gesagt.
    »Das ist ja eine echt schöne Überraschung«, sagte sie.
    Sie hatte »Das ist ja eine echt schöne Überraschung« gesagt.
    »Hallo, Simon«, sagte sie.
    Sie hatte meinen Namen gesagt.
    Ich hatte ihr also gestern meinen Namen gesagt.
    Mein Herz schlug so brutal, dass ich fast im Stehen stolperte.
    »Hallo?«, sagte sie und lächelte.
    Sie lächelte.
    Ihr Lächeln wehte hinter mir her, da war ich ganz sicher. Es wehte hinter mir her, weil ich mich umdrehte und wegrannte.
    Hallo?, Hallo?, hallte es hinter mir. Und ich rannte und rannte und rannte und rannte und rannte und rannte.

Dreizehn
    Immer noch Mittwoch
    Ich rannte bis zum Ende des Flurs. Ich stieß die weiße schwere Tür auf und rannte die breite Treppe runter.
    Alles hallhallhallte um mich herum.
    Achtzehn.
    Siebzehn.
    Sechzehn.
    Zum Mitzählen hatte ich keine Luft frei. Ich musste schneller laufen, weiter springen, drei Stufen auf einmal, vier Stufen auf einmal.
    In den Kurven hielt ich mich am Geländer fest und schwang mich rum wie am Zaun der Vogelinsel. Meine Chucks federten super meine Sprünge ab.
    Weiter unten dachte ich, meine Schritte rumpeln hinter mir her, und ich bin schneller.
    Irgendwie müsteriös.
    In einer Kurve krachte ich gegen die Wand, mit der Schulter volle Hütte dagegen. Gut war, dass ich so genug Schwung für einen neuen Sprung kriegte, über fünf Stufen weg. Ich war garantiert schneller als der Lift.
    Der Schweiß spritzte von mir weg. Ich wollte nie wieder stehen bleiben und bis auf die andere Seite der Erde laufen und dann im Erdboden versinken und nie wieder auftauchen.
    Tür auf und raus.
    Im Tiefparterre rannte ich links rum. Leute kamen die Treppe zur Lobby runter. Sie sagten was auf Englisch und meinten mich, das war ganz klar und unwichtig.
    Wenn Vitalis Mutter zufällig aus den Hofbräustuben kommt, erkennt sie mich nicht, weil ich wie ein Pfeil am Eingang vorbeischieße und durch die offene Tür in den Biergarten raus und die Treppe hoch und weg und zur Arabellastraße und immer weiter.
    Mir war mein ganzes Leben nur noch peinlich.
    Peinlicher als peinlich.
    Ich war Simon der Peinlichste.
    Simon der Peinlichste rannte die Englschalkinger Straße entlang, anstatt den 59er-Bus zu nehmen.
    Simon der Peinlichste rannte fast in einen roten Ferrari rein, der nicht schnell genug vorbeirauschte.
    Simon der Peinlichste wurde von einem so monstermäßigen Husten geschüttelt, dass er im Kreis rumwirbelte und hinfiel und mit der Nase auf den Asphalt knallte.
    Mit der Nase auf den Asphalt zu knallen ist das Peinlichste, was einem passieren kann. Weil eine Nase nur ungefähr so lang und alles andere von einem selber viel länger oder größer ist: die Backen, die Stirn, die Brust, dieBeine, der ganze Rücken, die Arme, der Hintern. Sogar die Ohren sind größer als die Nase. Die Nase ist bloß ein Stumpen im Vergleich zu allem andern.
    Wenn also einer genau auf die Nase knallt, dann ist er Weltmeister im Peinlichsein. Peinlicher kann kein Mensch sein. Nicht mal ein Hund kann so peinlich sein wie ein Junge, der genau auf die Nase
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