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Meine Suche nach der besten Pasta der Welt

Meine Suche nach der besten Pasta der Welt

Titel: Meine Suche nach der besten Pasta der Welt
Autoren: Maiwald Stefan
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Achtung beim Nachkochen: Kochschinken hat in der Pasta nichts zu suchen, durchwachsener Speck ist die Zauberzutat. Ach was, lassen Sie’s sein, und gehen Sie ins »Spaghetti House«.

Friaul
Ab aufs Festland

    G radeser, also die Bewohner der Insel Grado, verachten alle, die nicht in Grado wohnen. Sie verachten auch alle, die nicht mindestens drei lückenlose Generationen Grado nachweisen können. Daher ist es für mich ein sozialer Suizid, hier zu schreiben, dass eines meiner erklärten Lieblingslokale nicht in Grado liegt, sondern in Aquileia, nicht nur zehn Kilometer entfernt, sondern auch noch auf der Terraferma, dem Festland. Gradeser nennen alle, die von ferne kommen, Italiani, und sie schaffen es, diesem Wort eine äußerst abschätzige Betonung mitzugeben. Aber hier in Aquileia ist Italien noch, wie man es sich in seinen verkitschten Träumen wünscht, Sie werden gleich sehen, warum. Außerdem mag ich Menschen mit kräftigem Händedruck.
Wenn ich also den Händedruck zum Maßstab meiner Zuneigung erhebe, würde ich Giuliano, dem Besitzer des Gasthofs »La Pergola« (Via Beligna, direkt an der Straße, die zu Grado führt), meine Autoschlüssel und mein Bankkonto anvertrauen, und ich würde ihn sogar dieses Buch Korrektur lesen lassen, obwohl er nicht gerade kristallklares Hochdeutsch spricht. Denn Giuliano, mit der Figur eines soliden Eichenschranks gesegnet, hat den kräftigsten Händedruck, den ich je bei einem Menschen erlebt habe, und ich erlaube mir den Hinweis, dass ich während meiner Zeit beim Playboy Experte für Sportreportagen war und unter anderem Männern die Hände geschüttelt habe, die um den Weltmeistertitel im Superschwergewicht boxten. (Auch in einem früheren Buch habe ich Giuliano schon mal auftauchen lassen, aber man wird in diesen heiklen Zeiten doch wenigstens noch von sich selbst abschreiben dürfen.) Bei Giuliano gibt es das, was man hier im Friaul Mitteleuropa nennt: deftige Fleisch- und Wildgerichte, Pilze und Kräuter, Käse und Speck, ein gescheites Wiener Schnitzel und prima Weißbier, bis auf Letzteres alles liebevoll zubereitet von Giulianos Mama, die in der Küche steht. Pilze und Kräuter kommen aus Giulianos Garten; Giuliano ist ausgebildeter Metzger und macht Würste und Schinken selbst, und seinen Wein keltert er auch selbst. Ein Essen im Restaurant kostet wenig. Dafür gibt es auch nur Papierservietten, und Vor- und Hauptspeise werden mit demselben Besteck vertilgt, aber wer sich daran stört, der möge bitte umgehend heimfahren.
    Mama in der Küche, der Sohn bedient, der Wein
kommt in großen Krügen auf den Tisch: So muss Italien doch sein. Die Ironie bei der ganzen Sache ist, dass Giuliano ein großer Deutschland-Fan ist. So wie wir an den Gardasee oder in die Toskana fahren, macht Giuliano Urlaub in Bayern oder im Ruhrgebiet, etwa in Dortmund, wo er Freunde hat und auch gern ins Fußballstadion geht. Kreuz und quer fährt er außerdem durch Bayern und kauft seltene Bierspezialitäten ein, so wie wir Deutschen die Chiantigiana rauf- und runterfahren, die bezaubernde Landstraße zwischen Florenz und Siena, wo links und rechts Winzer gnadenlos überteuerten Wein verkaufen. Giuliano wäre sogar lieber ein Österreicher oder ein Deutscher, und auch das kann man nachvollziehen, sieht man doch in Italien nicht wenige Deutsche, die sich umgekehrt darum bemühen, einen möglichst italienischen Eindruck zu hinterlassen.
    Giuliano ist klasse, und seine Mama ist es auch. Folgendes müssen Sie unbedingt probieren: Caramelle, eine Spezialität des Hauses, natürlich selbstgemacht. Caramelle heißen wörtlich Bonbons; es sind Teigtaschen, gefüllt mit geräuchertem Käse, darüber liegen Birnenscheiben und irgendein Geheimgewürz, das einen vor Glück seufzen lässt.
    Zum Abschied gibt es wieder einen Händedruck, der einen an seine eigene körperliche Unzulänglichkeit erinnert. Man verspricht, in München nach neuen und interessanten Biersorten Ausschau zu halten.

Das Rezeptproblem sowie die Diät des schlechten Gewissens
    L ange habe ich überlegt, ob ich Rezepte in diesem Buch abdrucke, aber Rezepte verhalten sich zum Kochen wie das Kamasutra zur Liebe. Rezepte helfen, machen aber kein Gericht. Sie sind Mechanik statt Lebensgefühl, Bauanleitung statt gewachsene Pracht. Dennoch gehe ich fest davon aus: Wer dieses Buch liest, wird ein besserer Esser – und auch ein besserer Koch.
    Bevor aber die Reise in weiter entfernte italienische Regionen losgeht, beschließe ich, mir ein
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