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Meine Suche nach der besten Pasta der Welt

Meine Suche nach der besten Pasta der Welt

Titel: Meine Suche nach der besten Pasta der Welt
Autoren: Maiwald Stefan
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Italienerin geheiratet habe. Grado ist eine Laguneninsel an der oberen Adria zwischen Triest und Venedig. Auch wenn der mitteleuropäische Einfluss im Friaul spürbar ist, bekommt man doch im Lauf der Zeit seine wunderbaren Portionen Pasta aufgetischt. Die Lagune sorgt für ungeheuren Artenreichtum; das flache, meist nicht einmal zwei Meter tiefe Wasser ist ein Club Med für Fische, die hier endlos gedeckte Büffets vorfinden und sich dann, satt und zufrieden, leicht fangen lassen. Merke: Warum hat Griechenland, obwohl mit 6000 Inseln gesegnet, eine nicht nur bescheidene, sondern vor allem auf Fleisch basierende Küche? Weil die Küste sofort tief ins Meer stürzt und den Fischfang elend schwierig macht.

    Und, meine Güte, was musste Franco meinetwegen leiden. Die ersten Male, als mich meine Familie mit zum Essen nahm in die »Trattoria Santa Lucia« in der Altstadt von Grado und ich Fische eigentlich nur in Stäbchenform kannte, kaute ich von den schönsten Langusten nur den Mittelteil des Schwanzes, vom Seebarsch nur das ganz sichere Mittelstück des Filets. Mein Schwiegervater und meine Frau dagegen bearbeiteten einen Fisch mit der kaltblütigen Sorgfalt eines Piranha-Schwarms. Am Ende blieb nur noch ein perfektes fossiles Abbild des Fisches auf dem Teller übrig, während mein Fisch aussah, als wäre unter ihm ein Silvesterböller explodiert. Wenn Franco, der Besitzer, zum Abräumen kam, blickte er meinen Teller fassungslos an, und ich meinte, hinter seinen Brillengläsern Tränen aufblitzen zu sehen. Einmal wurde es ihm zu bunt, er setzte sich neben mich, nahm mein Besteck und klaubte mir die restlichen essbaren Teile des Fisches aus den kläglichen Überresten meines Versuchs, und es kam noch einmal ein komplettes Hauptgericht zusammen. Praktischerweise stammt Franco aus Apulien, der Hacke des Stiefels und der Hochburg der Pasta secca. Sein Lieblingsgericht ist auch eines meiner Lieblingsgerichte, und deswegen sei es hier als Auftakt erwähnt: Bandnudeln mit Mazzancolle und schwarzen Trüffeln.
Mazzancolle sind in der Lagune heimische Garnelen, und schwarze Trüffeln sind das, was deutsche Hobbyköche per se mit gutem Kochen verwechseln – einfach Trüffeln drüberhobeln, dann ist es was für den gehobenen Anspruch (noch schlimmer: Trüffelöl). Aber von diesem Verdacht ist Franco befreit. Es ist keine typisch Gradeser Spezialität, weil die Trüffeln aus dem nahen Istrien stammen, aber als Start der Reise gibt es schon mal einen vernünftigen Geschmack im Mund.
    Bei Mauro wird es schon deutlich typischer. Mauro betreibt ein einmaliges Restaurant mitten in der Lagune, das offiziell »Ai Ciodi« heißt, aber diesen Namen kennt nur das Gewerbeamt. Beim Rest der Welt heißt das Restaurant »Da Mauro« oder »Anfora«. Es liegt auf der Insel Anfora, ziemlich genau auf halbem Weg zwischen Grado und Lignano. Die Bootsfahrt dauert etwa eine halbe Stunde – es gibt Taxiboote vom Haupthafen von Grado, hin und zurück pro Person je nach Belegung ca. 20 Euro – und ist ereignisreich, denn es geht durch die Lagunenlandschaft, vorbei an den casoni der Fischer, und weil Mauro nur im Sommer geöffnet hat, scheint die Sonne wohlig-warm, und schon aus der Fahrt wird ein Urlaubserlebnis. Das Restaurant ist exklusiv, weil man nur auf dem Kiel dorthin kommt, und zugleich bodenständig, weil es preiswert ist und man schon wegen der logistisch komplizierten Insellage auf schmückendes Beiwerk verzichtet. Biergartenbänke, Papierservietten, Hauswein. Und auf den Teller kommt, was Mauro und seine drei Söhne am Morgen aus der Lagune gefischt haben. Mauro ist die Herzlichkeit in Person, in die Form eines kernigen
älteren Herrn gegossen. Bei meinem ersten Besuch hat er mich so sehr umarmt, wie ich es nicht einmal von engsten Familienmitgliedern kenne. Selbst meine Frau wunderte sich: »Kennt ihr euch?« Äh, nein, und dass er mich mit einem engen Verwandten verwechselt hat, darf man wohl auch ausschließen, ich sehe nämlich für italienische Verhältnisse wirklich fremdartig aus.
    Bei Mauro gibt es an den langen Tischen ein klassisches Gradeser Gericht: Nudeln mit Gransoporo , das ist ein großer, großer Taschenkrebs. Dazu werden Hammer und Brett serviert, denn die Scheren können nicht anders als mit roher Gewalt aufgebrochen werden. Ein Spaß für die ganze Familie. Meine älteste Tochter Elisabetta ist eine begeisterte Scherenknackerin. Danach geht es wieder durch die Lagune heim, und wenn das Boot stärker schwankt als bei
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