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Meine Suche nach der besten Pasta der Welt

Meine Suche nach der besten Pasta der Welt

Titel: Meine Suche nach der besten Pasta der Welt
Autoren: Maiwald Stefan
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der Hinfahrt, dann liegt das nicht am Wellengang, der in einer Lagune ja ohnehin rar ist, sondern an Mauros Hauswein.
    Und dann gibt es auch noch das »Spaghetti House«, betrieben von Laura und Christian, einem jungen Paar, das sich immer auf eine so romantische Art streitet, dass man ahnt: Die beiden werden zusammen alt. Der Name des Restaurants mitten in der historischen Altstadt von Grado klingt wie eine üble Touristenfalle, die man unbedingt vermeiden sollte, ist aber lediglich eine Erblast der Vorbesitzer. Christian ist der größte Bastian-Schweinsteiger-Fan dies- und jenseits der Alpen und weiß daher mehr über den deutschen Fußball als ich. Und bei aller Bescheidenheit: Ich weiß schon nicht wenig. Weil Christian auch Juventus-Turin-Fan ist und
Schweinsteiger in den letzten Jahren immer wieder mit dem Wechsel dorthin geflirtet hat, war Christian zeitweilig im Delirium. Als von Schweinsteigers Beratern die Transfersumme von 30 Millionen Euro aufgerufen wurde und das dem finanziell nicht ganz auf Kurs fahrenden Juve-Dampfer ein wenig zu hoch erschien, war Christian ernsthaft entschlossen, mit anderen Fans zusammenzulegen – er wollte ein komplettes Jahresgehalt opfern, um Schweinsteiger zu Juve zu holen. Nur, damit Sie wissen, warum er den Titel »Größter Bastian-Schweinsteiger-Fan dies- und jenseits der Alpen« verdient.
    Wie so viele Köche hat er gewaltige Oberarme. Das Hantieren mit gusseisernen Pfannen scheint ein perfektes Fitnessprogramm zu sein (Buchidee für den Ratgebersektor?). Und als Chefkoch des »Spaghetti House« zaubert er eine ganz fantastische Pasta aus der Gradeser Spezialität, die schon dem New Yorker einen Artikel wert war: Boreto. Das Boreto war einst ein Arme-Leute-Essen. Die Gradeser Fischer bereiteten es daheim aus jenen Fischen zu, die sie nicht verkaufen konnten, weil sie zu klein oder vom Netz zerrissen worden waren. Die Stücke von Seebarsch, Scholle, Goldbrasse oder was auch immer gerade Saison hatte, wurden im eigenen Saft gekocht, mit Knoblauch, Öl und, ganz wichtig, Weinessig verfeinert und mit Polenta serviert. Jeder Koch hat noch ein paar Tricks auf Lager, die er nicht verrät, und Christian hat ein Boreto kreiert, das mit Pasta funktioniert und großartig schmeckt: Paccheri con boreto di asiá . Asiá ist ein Gradeser Dialektwort für den spinarolo , einen kleinen Dornhai, der im Adriaraum weit verbreitet ist und wunderbar weiches
Fleisch liefert. Und Paccheri sind die Röhrennudeln, deren Öffnung so gewaltig ist, dass man einen Finger durchstecken kann. Nachdem ich alles verputzt habe, kommt Christian immer aus der Küche. Nicht um zu fragen, wie es geschmeckt hat, sondern, ob ich was Neues von Bastian Schweinsteiger gehört hätte.
    Christian hat neben Paccheri und Schweinsteiger-Klatsch noch eine weitere Spezialität: Spaghetti Carbonara. Ich weiß nicht, wie ich dieses Gericht kulturell einordnen soll, erlaube mir aber die Anmerkung, dass ein guter Freund von mir namens Tim Jürgens, der es hassen wird, hier namentlich erwähnt zu werden, nicht nur Bassist der famosen Hamburger Band Superpunk und stellvertretender Chefredakteur der Fußballzeitschrift 11 Freunde ist, sondern als renommierter Musikjournalist für Spex , Intro und sonstige Magazine Kritiken verfasst. Er findet das in den Achtzigern komponierte Spliff-Stück »Carbonara« O-Ton »großartig produziert«, dabei ist »großartig produziert«, nach Tims eigenen Worten, eine Ausrede dafür, dass man ein allgemein geächtetes Stück dennoch gut findet, aber er verteidigt sich wortreich. Er mag den Spliff-Schlager einfach, und ich kann gegen Tims geschmackssichere Vorlieben nichts einwenden. Also schäme ich mich weder für Spaghetti Carbonara noch für Spliff. Und Christian macht das Beste aus Carbonara, einer Pasta, die erst seit wenigen Generationen auf der Welt zu sein scheint. Erst in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg lassen sich Rezepte für diese universell beliebte Pasta finden. Wie kommt das? Möglicherweise machten zupackende italienische Hausfrauen aus den
Lebensmittelrationen der in Rom stationierten US-Soldaten das Beste. Jene Besatzer verfügten über reichlich Eier und Bacon . »Alla Carbonara« heißt »nach Art der Kohlenhändler«. Zwei Restaurants in Rom heißen »La Carbonara«; möglich, dass dort zum ersten Mal mit dem zugleich rustikalen wie delikaten Rezept experimentiert wurde.
    Carbonara sind wie Bratkartoffeln: Auf dem Papier einfach, aber nicht so leicht hinzubekommen.
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