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Meine erste Luege

Meine erste Luege

Titel: Meine erste Luege
Autoren: Marina Mander
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hinlegt und seinen Schwanz wie einen Tischwischer benutzt, dass es tagelang Staub rieselt.
    Ansonsten kein großer Unterschied.
    Ab und zu muss ich weinen, aber ich weiß nicht, ob ich wegen mir oder wegen Mama weine. Ich weine, wenn ich daran denke, dass ich nicht mehr in ihr Zimmer gehen kann, wie ich es früher gemacht habe, wenn ich nicht schlafen konnte. Dann bin ich zu ihr hin und habe gefragt:
    Â»Kann ich ein bisschen hierbleiben, bitte?«
    Und sie hat zu mir gesagt:
    Â»Einverstanden, aber nur dieses Mal, du bist jetzt groß, du solltest in deinem Zimmer schlafen.«
    Jetzt, wo ich nie und nimmer mehr die Tür am Ende vom Flur öffnen möchte, muss ich weinen, ich weiß nicht, ob wegen mir, der ausgeschlossen ist, oder wegen ihr, die eingeschlossen ist.
    Mir fehlt ein Platz, wo ich mich ausruhen kann, ich bin oft so müde, ich habe keine Lust, irgendwas zu machen, genau wie damals, als ich noch nicht wieder richtig gesund war. Manchmal schlafe ich mit dem Kopf auf Blus Bauch ein, dann höre ich seinen Atem, der auf und ab geht, und es gefällt mir, sein Herz zu spüren, das trotz allem schlägt.
    In der Wohnung ist es sehr kalt, doch die Kälte friert den Gestank ein.
    Blu hat echte Niesanfälle, aber das ist kein Problem, Katzen haben ja ihren Pelz. Was mich angeht, habe ich aufgehört, mir die Kleider auszuziehen. Bevor ich ins Bett gehe, nehme ich ein sprudelndes Aspirin, ich halte das Glas nahe ans Ohr, denn wenn Aspirin sich auflöst, hört es sich an wie Gischt, die gegen Felsen spritzt.
    Einmal am Tag bekomme ich einen Schreck, wenn ich den Wecker auf Mamas Nachttisch läuten höre. Jeden Tag alarmiert mich der Alarm, als hätte ich ihn noch nie gehört. Dann fällt mir alles wieder ein. Dann schüttele ich mit dem Kopf wild nach rechts und nach links, um den Gedanken zu vertreiben.
    Als ich sehe, dass Antonella in der Pause auf mich zukommt, glaube ich zu träumen. Es kann nicht wahr sein, dass Antonella mich anschaut, sie hat mich noch nie angeschaut. Eher ist es so, dass ihr Blick, wenn sie mich anschaut, durch mich durch geht; ein Laserschwert, das verletzt, ohne zu verletzen, als wäre ich durchsichtig, aus einer speziellen Zaubertinte gemacht, die auf sie allerdings keinen Zauber ausübt. Oder die sie gleichgültig lässt.
    Und doch kommt Antonella auf mich zu, und es scheint, dass sie lächelt.
    Â»Hallo, ich wollte dir das hier geben.«
    Antonella gibt mir eine orange Karte, orange wie ein Sonnenuntergang auf einem Heftumschlag, wie der Sonnenuntergang mit Palmen auf einem Poster von den Malediven.
    Â»Was ist das?«
    Es ist das erste Mal, dass wir allein sprechen, unter vier Augen, wir beide.
    Es ist das erste Mal, dass ich ihre Sommersprossen zählen kann, kleine Zimtsplitter auf Schlagsahne. Ich sage zu ihr:
    Â»Was ist das?«
    Ich sage »Was ist das?« zu ihr, weil mir nichts Besseres einfällt.
    Â»Es ist für mein Karnevalsfest, du musst verkleidet kommen.«
    Â»Ah, wie toll, danke.«
    Â»Klar, es wird supertoll!«
    Also: Wenn du Videospiele spielst, kann es passieren, dass du nicht weißt, was du tun sollst. Die Wahrscheinlichkeit liegt bei fünfzig Prozent. Manchmal geht es gut, manchmal nicht. Das Wichtigste ist, sich zu entscheiden, sonst geht das Spiel nicht weiter. Jetzt kann ich mich nicht entscheiden. Oder besser, ich muss mich entscheiden, nicht zu spielen. Kein Kostümfest, kein Sommersprossenkonfetti im frischen Schnee, keine Antonella, überhaupt gar nichts.
    Â»Ich kann nicht kommen, tut mir leid.«
    Â»Warum?«
    Â»Ich mache in der Woche Winterferien.«
    Â»Warum hast du das denn nicht gleich gesagt?«
    Â»Ich hatte es vergessen.«
    Â»Warum machst du nicht in der Woche danach Winterferien?«
    Â»Weil in der Woche danach kein Winter mehr in den Winterferien ist.«
    Â»Na super! Und was ist dann?«
    Â»Was geht dich das an?«
    Â»Ich wusste, dass du echt bescheuert bist. Ich hatte dich sowieso nur eingeladen, weil du eine Waise bist.«
    Alle Leute waren am Strand und freuten sich, im Urlaub zu sein, und da waren die Kellner mit den Tabletts voller kalter Getränke mit kleinen Schirmchen, und die großen Sonnenschirme schützten die Touristen vor der Sonne, und die Kinder haben in Planschbecken gespielt, und es gab Palmen wie auf den Malediven, wo Antonella Urlaub macht, wo Antonella Karneval feiert, wo Antonella tut, was sie will, und dann
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