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Meine erste Luege

Meine erste Luege

Titel: Meine erste Luege
Autoren: Marina Mander
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ich, den Flur entlang.
    Blu ganz in Grau, ich in meinem Schlafanzug mit den Fertigsoße-Flecken, gehen wir in einer Prozession den Flur hinunter und passen gut auf, dass wir nicht wie immer über den schäbigen Perserteppich in der Mitte stolpern, der, bevor er in unsere Wohnung kam, schon in Omas Wohnung lag, und schon damals stolperten alle darüber und verwünschten ihn.
    Â»Blöder Teppich, den sollte man endlich mal rausschmeißen.«
    Wir gehen todernst voran, und vor der Schlafzimmertür bleiben wir mit unserer speziellen Torte aus Schaumwaffel mit Vanillecreme stehen.
    Ich stelle das Tellerchen auf den Boden.
    Die Kerze erleuchtet die Zeremonie mit einem unsicheren und flackernden Licht, als wollte sie jeden Moment ausgehen. Und ich bin auch unsicher, ob ich sie dort lassen soll oder für Mama ausblasen, die keinen Atem mehr hat.
    Ich beschließe, ihr zu helfen, denn das Flämmchen wirkt wie die Flämmchen auf Friedhöfen, wirft seltsame Schatten auf die Wände. Aber vielleicht stimmt das gar nicht, vielleicht bin ich es, der alles schwarzsieht.
    Â»Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag.«
    Ich blase und flüstere »herzlichen Glückwunsch« in einem Atemzug, trotz meiner Übungen im Luftanhalten scheint mir, dass ich nicht viel Luft in den Lungen habe. Ich lasse das Geschenk dort und gehe rückwärts zurück, wie die Galnelen es tun, um sie zu verlassen, ohne Lärm zu machen, ohne dass sie es bemerkt, immer ein kleines Stückchen weiter.

10
    Am Donnerstag sind mir die Haare gewachsen.
    Die Haare wachsen, das kannst du nicht aufhalten, es ist auch so einer dieser unerbittlichen Prozesse, die die Wissenschaftler bisher noch nicht stoppen konnten.
    Die Haare wachsen um 0,00000001 Meilen in der Stunde. Das habe ich in Unglaublich, aber wahr gelesen. Ich weiß nicht, wie viel eine Meile ist, aber es ist mehr als ein Kilometer, die Nullen bringen mich durcheinander. Auf jeden Fall wachsen die Haare nur wenig auf einmal, aber zum Schluss doch Kilometer, auch wenn dir ganz andere Sorgen durch den Kopf gehen.
    Normalerweise bringt Mama mich zum Friseur, bevor mir der Pony in die Augen hängt. Es ist ein Damenfriseur, und ich schäme mich zu Tode, zwischen all den Frauen zu sitzen, die sich eine Dauerwelle machen lassen. Ich schäme mich auch, weil ich im Schaufenster sitzen muss, und die Leute, die ab und zu vorbeigehen, schauen herein und sehen mich in meinem Rotkäppchen-Umhang neben einer Irren mit einer Plastikhaube auf dem Kopf und Haarbüscheln, die aus den Löchern herausstehen, während die Friseurin ihr mit einer Häkelnadel Strähnchen macht.
    Es passiert auch, dass Frankenstein sich umdreht und zu mir sagt:
    Â»Was für ein netter Junge, gehst du denn gern zur Schule?«
    Bei dem Wort Schule fällt mir Antonella ein, und ich sacke allein bei der Vorstellung in mich zusammen, dass sie mich, wenn sie beim Friseur vorbeikommt, in diesem Aufzug sehen könnte. Als wäre das nicht schon genug, mischen sich dann auch noch die ganzen anderen Frauen ein. Sie mustern mich immerzu, als hätten sie noch nie einen Jungen gesehen, sie sind neugierig, wollen alles wissen, und sie sind klatschsüchtig, lesen Zeitschriften voller Klatsch und Tratsch.
    Ich hoffe, dass die Folter schnell vorbei ist. Ich hoffe, dass in den Töpfchen mit Creme und Balsam und Färbemitteln ein Zaubertrank ist, der mich verschwinden lässt. Oder wenigstens sie verschwinden lässt.
    In Wahrheit hasst auch Mama es, zum Friseur zu gehen, weil sie dann Konversation machen muss, aber sie sagt, es ist unvermeidlich.
    Â»Die Haare müssen immer ordentlich sein.«
    In letzter Zeit ist sie selbst gar nicht mehr so oft hingegangen, aber ich habe es nie geschafft, drum herumzukommen. Das ist noch so eine komische Idee der Erwachsenen. Wenn du größer bist und dir schon ein Bart wächst, kannst du vielleicht auch längere Haare haben. Aber wenn du noch keinen Bart hast, nichts zu machen, die Haare müssen ordentlich sein, vielleicht mit einem Deppenschnitt wie bei Arschgesicht, der nicht nur ein Arschgesicht hat, sondern auch noch eine Kackfrisur auf dem Kopf.
    Ich würde lieber zu einem Herrenfriseur gehen, zu einem von denen mit Kalendern mit gefesselten Frauen mit Titten so dick wie Fußbälle, die aus schwarzen Lederdekolletés rausquellen; ich würde lieber über Fußball und den Grand Prix reden und Männergesprächen
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