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Meine erste Luege

Meine erste Luege

Titel: Meine erste Luege
Autoren: Marina Mander
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aufgeben, wobei sie mit dem Zeigefinger an die Stirn tippt und achtgibt, dass es niemand sieht.
    Auch der Stand der Blumenfrau ist noch zu, eine verlassene Hundehütte. Vielleicht ist sie auch fortgezogen, oder sie hat einen Unfall gehabt, geschieht ihr recht.
    Wenn die Erwachsenen zu früh dran sind, gehen sie in die Bar und trinken einen Kaffee. Ich kaufe mir ein ganz kleines Stück Focaccia, um zu sparen. An der 2-Euro-Münze ist ein angelutschtes Erdbeerbonbon hängen geblieben, zum Glück ist es der Frau in der Bar egal, ob das Geld ein bisschen klebrig ist:
    Â»Vielleicht bleibt es mir dann immer an den Händen hängen.«
    Vom Rest genehmige ich mir einen Lutscher.
    Â»Und was hast du denn in den letzten Tagen so gemacht?«
    Â»Nichts Besonderes.«
    Â»Und du?«
    Bei mir Blabla. Die Gespräche meiner Klassenkameraden sind langweilig, alle sagen immer nur das Gleiche. Sie reden, aber es ist, als kämen ihre Stimmen von einer anderen Seite, wo auch ich bis vor einer Weile war. Jetzt bin ich in eine Wohnung im Stockwerk darüber gezogen, und doch gelingt es mir nicht, von dort oben auf sie hinabzusehen. Ich möchte von der anderen Seite schauen, aber das darf ich nicht, denn ich muss den Kopf hochhalten. Das ist nicht leicht. Es ist, wie wenn man träumt, nackt unter lauter angezogenen Leuten zu sein, du tust so, als wäre nichts, aber du weißt, dass du nackt bist, dass du dich nicht anziehen kannst, bis der Albtraum endet. Ich ziehe den Mantel enger um mich.
    Im Unterricht fragen sie uns, was den Homo sapiens von seinen Vorfahren unterscheidet.
    Â»Die Fähigkeit zu betrügen«, hätte ich beinahe gesagt. Aber ich hüte mich, das zu tun.
    Ich verliere mich in Phantasien über meine Vorfahren, die sich den Kopf darüber zerbrechen, wie man eine Kokosnuss aufbricht, und dann über diejenigen, die es lernen, Waffen zu gebrauchen, und mit Pfeil und Bogen immer intelligenter werden; sie laufen nackt herum, aber alle sind nackt, deshalb kümmert es keinen. Dann erfindet jemand den Mantel aus dem Fell von Tieren, vor allem die Damen sapiens wollen ihn, sie nennen ihn Pelz, mit dem Pelz gehen sie shoppen, kaufen Schuhe, auf denen sie schwanken und die in den Gittern der U -Bahn stecken bleiben.
    Auch die Scorzetti sapiens muss am Wochenende shoppen gewesen sein, denn sie hat heute neue Schuhe, schwarz und glänzend wie Kakerlaken, sie kann noch nicht sehr gut damit laufen, denn nach zwei Schritten macht sie kehrt und setzt sich wieder hinters Pult. Die Kakerlaken-Schuhe erscheinen in meinem Blickfeld und verschwinden schnell wieder, ich hätte Lust, mit dem Übungsbuch draufzuschlagen.
    Die Kakerlaken werden früher oder später die Welt überschwemmen, auf Bergen von Abfällen mit Schilden in der Form von Mülleimerdeckeln, denn die Kakerlaken sind resistent gegenüber Giften, sie sterben nicht an einer Handvoll schlechter Pillen.
    Sie sind die Intelligentesten von allen, auch wenn sie keine sieben Monate brauchen, um geboren zu werden.
    Ciccio Broccolo ist auf der Bank eingeschlafen. Das tut er montags immer, weil er mit dem Schlafwagen aus Apulien zurückkehrt, der im Morgengrauen am Bahnhof ankommt, die Lehrer wissen das, deshalb schimpfen sie nicht besonders mit ihm herum, schließlich ist es nicht seine Schuld, dass seine Verwandten so weit weg wohnen und er nach Zug riecht.
    Ich würde auch gern in einem Liegewagen schlafen, ich bin auch zum Umfallen müde, ich habe auch Verwandte, die sehr weit weg sind.
    Als die Scorzetti anfängt, zwischen den Bänken zu spazieren wie eine, die keinen Boden unter den Füßen hat, höre ich auf, mit blödem Gesicht einen feuchten Fleck anzustarren, der mich an einen Eisbären erinnert, an einen Kartoffelchip, an den Titicacasee, und lächele. Das Geheimnis ist, in allen Fächern gut zu sein und zu lächeln. Lächeln gehört zu den Aufgaben einer braven Ameise, die sich abmühen muss, unendlich vielen ägyptischen Plagen zu entkommen.
    Wir sind alle Ameisen, auch wenn die Grillen sehr viel schlauer sind.
    Â»Und weißt du, wie sie dann ausgegangen ist?«, flüstere ich Andrea zu.
    Â»Was?«
    Â»Die Geschichte von der Grille und der Ameise.«
    Â»Nein, was fällt dir dazu ein?«
    Â»Dass die Grille, die keine Vorräte für den Winter gesammelt hatte, die Ameise gefressen hat.«
    Â»Aber das stimmt doch gar nicht!«
    Â»Ist doch egal,
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